Sieben Schauspieler:innen stehen auf der Bühne.

© Marcel Urlaub

Theater Wien

"Die Angestellten": Poetische Zukunftsvision

"Die Angestellten" heißt der 2018 erschienenen Debütroman der 38-jährigen Dänin Olga Ravn. Der Münchner Regisseur Alexander Giesche, 2020 für seine eigenwillige Umsetzung der Max-Frisch-Erzählung "Der Mensch erscheint im Holozän" am Schauspielhaus Zürich mit dem Nestroy-Preis für die beste Aufführung im deutschsprachigen Raum bedacht, hat den Roman bei seiner ersten Regiearbeit in Österreich als "Visual Poem über Arbeit im 22. Jahrhundert" inszeniert. 

Über Arbeit erfährt man freilich in diesen fast zweieinhalb pausenlosen Stunden herzlich wenig, außer, dass sie von Menschen und äußerlich praktisch ununterscheidbaren "Humanoiden" verrichtet wird. Immerhin: Probleme mit Rechten scheinen sich im 22. Jahrhundert erledigt zu haben. Wie überhaupt Politik keine Rolle mehr spielt.

Wer ist Mensch und wer Maschine?

Denn, und das ist die schlechte Nachricht, die Menschen und Menschenähnlichen, denen wir zusehen, reisen auf einem Raumschiff durch die Galaxie. Die Erde scheint unwirtlich geworden zu sein, Tiere sind ausgestorben. Klassische menschliche Kulturtechniken wie Memoryspielen oder Töpfern werden dagegen auch im All weiter gepflogen - wie man sich in lähmenden mehrminütigen Szenen überzeugen darf. Auch eine längere Diskussion über Duftstoffe darf man verfolgen, wobei sich ausgerechnet die menschenähnlichen Nachbauten mit angeblichen Erinnerungen an Gerüche von einst hervortun.

Das ist der Hauptkonflikt: Wer ist Mensch und wer Maschine? Und weil sich der Mensch auch im 22. Jahrhundert nicht geändert hat, vermutet der menschliche Teil der Besatzung ein humanoides Komplott und regt in der heimatlichen Zentrale lieber die "Bio-Terminierung" der Mannschaft an, als sich um ein friedliches weiteres Zusammenleben zu kümmern.

Großer technischer Aufwand

Erzählt wird das Ganze auf der sich ohne Unterlass drehenden Bühne, in deren Zentrum eine rätselhafte Keramikskulptur von Ulrike Zerzer an menschliche Kreativität erinnert, die kein Ziel und keinen Zweck benötigt. Der technische Aufwand ist groß. Sieben Schauspieler:innen (Elias Eilinghoff, Frank Genser, Hasti Molavian, Lavinia Nowak, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck und Birgit Unterweger) werden von einer an einem Roboterarm montierten Kamera ständig gefilmt.

Video Artist Luis August Krawen macht auf großen Videowalls aus den Aufnahmen durch digitale Verfremdungen tatsächlich so etwas wie ein visuelles Gedicht, eine abstrakte Pixelmalerei, die zur mitunter raveartigen Musik von Ludwig Abraham zeitweise durchaus fasziniert, sich aber auch rasch abnützt. Ob die sieben letzten Überlebenden auf einem Planeten namens Neuentdeckung schließlich eine neue Kolonie gründen oder ihnen mangels Neustart oder Update die Orientierung oder der Saft ausgeht, ist einem am Ende herzlich egal.

"Die Angestellten"

Deutschsprachige Erstaufführung im Volkstheater Wien

  • Regie & Bühne: Alexander Giesche
  • Bühne & Lightdesign: Matthias Singer
  • Kostüm: Felix Siwinski
  • Komposition: Ludwig Abraham
  • Video Art: Luis August Krawen
  • Mit Elias Eilinghoff, Frank Genser, Hasti Molavian, Lavinia Nowak, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck und Birgit Unterweger. 

Freundlicher Premierenapplaus

Am 4. Februar diskutiert man in der Roten Bar des Volkstheaters über "posthumanes Theater". Da kann man sich vielleicht auch die Frage stellen, wer dann die Rolle des Publikums übernehmen sollte. Könnte man sich im Zuschauerraum von seinem maschinellen Doppelgänger vertreten lassen, blieb zu Hause ja vielleicht Zeit für sinnvollere Tätigkeiten. Memoryspielen etwa. Oder Töpfern. "Die Angestellten" erhielten jedenfalls freundlichen Premierenapplaus. Von Menschen oder von Robotern? Man wird es wohl nie erfahren ...

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

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