Ensemble im Theater Scala

© Bettina Frenzel

Theater Wien

"Die Kunst der Komödie" mahnt: Gehen Sie ins Theater!

Eduardo De Filippo gilt bis heute als einer der großen Volksschauspieler und Theaterautoren der italienischen Bühnenwelt. Seine "Kunst der Komödie" sah man zuletzt vor 40 Jahren in Wien, damals noch in der Josefstadt. Regisseur Bruno Max hat sich den nachdenklich-komödiantischen Stoff aus dem Jahr 1965 nun aufs Neue vorgenommen, am Mittwoch feierte das Stück Premiere in der Wiener Scala.

Was ist Sein, was ist Schein? Und welchen Stellenwert haben Kultur und das Theater für Entscheidungsträger:innen in einer Zeit voller Krisen und bürgerlicher Sorgen? Nicht unbekannt kommt einem diese Frage vor, denkt man an die Auswirkungen der Covid-Pandemie zurück.

"Die Kunst der Komödie" in der Scala

Die frischernannte Präfektin einer süditalienischen Kleinstadt hat es nicht leicht. An ihrem ersten Arbeitstag am neuen Dienstort muss sie gleich einige Bittsteller:innen empfangen, darunter den Direktor einer Wandertheatertruppe, der sie um Hilfe ersucht: Seine Bühne ist abgebrannt und der Stadtsaal als Ausweichquartier ungeeignet. Aus einer Laune heraus unterhält sich die Eccellenza mit dem Prinzipal eine Weile über die Krise des Theaters "in Zeiten wie diesen", hat für die Nöte der Truppe aber doch kein offenes Ohr. Die Realität ist schließlich wichtiger als Gauklerei! Doch der gekränkte Direktor droht ihr, zu beweisen, dass Theater und Wirklichkeit gar nicht so weit auseinander liegen ...

Wenig später treffen die erwarteten Bittsteller:innen ein. Aber sind der ausgebrannte Amtsarzt, der ehrwürdige Pfarrer, die merkwürdigen Bauersleute, die traumatisierte Dorflehrerin und der suizidale Apotheker wirklich die, die sie zu sein scheinen, oder bloß Mitglieder der Schauspieltruppe, die der hochmütigen Präfektin eine Lektion erteilen wollen?

Was ist Wahrheit, was ist Schauspiel?

Das komödiantische Zusammenspiel aus Schein und Wirklichkeit gewinnt im Laufe des Stücks nach anfänglichem Schleppen immer mehr an Tempo. Man hat schon fast Mitleid mit der Präfektin (großartig: Bettina Soriat), die an der wachsenden Verwirrung am Schluss ihre souveräne Haltung vollends verliert und nicht mehr weiß, wer wer ist. Das tut das Publikum am Ende übrigens auch nicht, denn ob es sich bei den skurrilen Bittsteller:innenn tatsächlich um "Agent:innen" der Schauspieltruppe handelt, überlässt Eduardo De Filippo der eigenen Einschätzung.

Dabei würde man es ihnen wirklich abnehmen: Jörg Stelling gibt einen hervorragend frustrierten Arzt, dem aufgrund der mangelnden Anerkennung für seine Leistungen ein Burnout droht. Für viele Lacher sorgt Franz Weichenberger als drollig-ehrwürdiger Dorfpfarrer, dem das sündige Treiben seiner Schäfchen so sehr an die Substanz geht, das säckeweise Nüsse als Nervennahrung herreichen müssen (Hinweis: die fliegen auch von der Bühne, Achtung in der ersten Reihe!). Lisa-Marie Bachlechner überzeugt als gequälte Lehrerin mit psychischen Störungen, wobei hier vielleicht etwas weniger Heulen und am-Boden-Kriechen nicht geschadet hätte. Ein kurzes Zwischenspiel hat auch Bernhardt Jammernegg als Apotheker mit Suizidabsicht, der am Schluss eigentlich wirklich tot aussieht ... oder?

Als Schauplatz fungiert lediglich das Büro der Eccellenza, das Chaos entfaltet sich aber auch so wunderbar mit dem sparsamen Einsatz weniger Requisiten. Die Kraft des Zweiakters liegt nämlich in den vielschichtigen Dialogen: Bruno Max übermittelt etwa als besorgter Theaterdirektor in seinem anfänglichen Wortduell mit der Präfektin gekonnt die Sorgen und Nöte von Kulturschaffenden, ohne die es in der Welt eben still wird.

Fazit: Die doppelbödige Farce, in der Fiktion und Wirklichkeit miteinander verschwimmen, verrät bis zuletzt nicht, was Sache ist. Aber das spielt eigentlich auch keine Rolle. Am Ende bleibt der große Unterhaltungsfaktor, der auch nachdenkliche Untertöne mitschwingen lässt und uns daran erinnert, dass wir alle einfach öfter ins Theater gehen könnten.

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