Außenansicht des Wiener Burgtheaters

© APA/GEORG HOCHMUTH

Theater Wien

Kroatische Geschichte: Neues Stück im Burgtheater

Wie ein Brennglas legt die kroatische Dramatikerin Tena Štivičić in ihrem Stück "Drei Winter" den Fokus auf drei historisch wichtige Momente in der Geschichte Kroatiens, die sie anhand einer Familiengeschichte erzählt. Neun Jahre nach der Uraufführung am National Theater in London bringt Burgtheater-Direktor Martin Kušej das Werk ab 22. April in Wien auf die Bühne. Bereits das Schreiben war eine Herausforderung, wie die Autorin im APA-Interview erzählt.

Für die große Bühne schreiben

Für die 1977 in Zagreb geborene Štivičić, die die Kriegsjahre in ihrem Heimatland verbracht hat und mittlerweile seit vielen Jahren in Großbritannien lebt, ist die Geschichte Kroatiens und überhaupt jene des ehemaligen Jugoslawiens gleichzeitig "ungeheuer komplex und wirklich faszinierend". Besonders interessiert hat sie für "Drei Winter" die Geschichte der Frauen. Die Idee, sich drei Generationen einer einzigen Familie zu widmen, war beim Schreiben allerdings dem Umstand geschuldet, dass ihr ein Stückauftrag für eine große Bühne angeboten wurde. "Damals war ich Mitte 30 und gerade jüngere zeitgenössische Dramatiker schreiben meist nur relativ kleine Stücke, weil sie unter bescheidenen Umständen produziert werden müssen. Aber für eine große Bühne mit vielen Figuren zu schreiben, ist eine ganz andere Kunst." Sie nahm die Herausforderung an und schrieb einen Text für 17 Personen.

Die Handlung spielt zunächst im Jahr 1945 in Zagreb, wo Titos kommunistische Partisanen den Kampf gegen die Faschisten gewonnen haben. Im zweiten Teil widmet sich Štivičić dem Jahr 1990 und dem Ende Jugoslawiens. 2011 schließlich steht der EU-Beitritt Kroatiens im Raum. Auf der Bühne des Burgtheaters stehen an diesem Mammut-Abend unter anderem Nina Siewert, Regina Fritsch, Barbara Petritsch, Daniel Jesch und Norman Hacker.

Als Basis zu "Drei Winter" dienten Štivičić fragmentarische Geschichten aus ihrer eigenen Familie. "Dabei wurde mir klar, dass jede dieser Generationen in einem anderen Land lebte. Geografisch zwar am selben Ort, aber politisch in einem anderen Land, in einem völlig anderen politischen System." Die jeweils unterschiedlichen Wertvorstellungen hätten die Schicksale dieser Menschen auf völlig unterschiedliche Weise beeinflusst. "Und das alles wollte ich an einem Abend zusammenbringen." Ursprünglich hatte Štivičić auch einen vierten Teil geschrieben, der Anfang des 20. Jahrhunderts spielte, dieser habe es aber nicht in die Endfassung geschafft.

Das Dilemma der Zweisprachigkeit

Geschrieben hat sie das Stück, da es ein Auftragswerk für eine britische Bühne war, auf Englisch, obwohl es in Kroatien spielt. Parallel habe sie aber auch immer wieder Passagen auf Kroatisch verfasst. "Schließlich sind die Charaktere kroatisch und ich hatte beim Schreiben das Gefühl, dass ich sie auch in ihrer Originalsprache hören musste." Die kroatische Version, die mittlerweile auch an vielen Theatern am Balkan aufgeführt wurde, unterscheide sich im Detail allerdings, was den Sound betrifft. "Das ist das Dilemma, wenn man in zwei Sprachen schreibt. Es ist schwierig, eine neutrale Version für beide Sprachen beizubehalten".

Das Stück ist sowohl historisch als auch persönlich und geht der Frage nach, wie die Geschichte erinnert wird und wie sie das Leben der Menschen beeinflusst. Auch in Kroatien wurde das Stück "wunderbar" aufgenommen, obwohl es natürlich immer schwierig sei, die Vergangenheit des eigenen Landes zu betrachten. "Ein solches Stück hat es in der kroatischen Dramatik schon lange nicht mehr gegeben. Es gab also einen großen Appetit darauf."

Premiere in Wien

Besonders der Blick in die jüngere Vergangenheit ist sehr kritisch, würde Kroatien doch - "wie alle ex-jugoslawischen Länder" - einen nationalistischen, von Korruption durchdrungenen Weg gehen. "Ich kann nicht sagen, dass irgendjemand besonders optimistisch oder enthusiastisch darüber ist, wo Kroatien im Moment steht", resümiert Štivičić. Und so würden nach wie vor viele Menschen - junge wie alte - Kroatien verlassen. "Es gibt praktisch einen Exodus, weil die Menschen ihren Lebensunterhalt in Kroatien nicht verdienen können." Die Regularien der EU würden an der Situation nichts ändern, denn "auch die EU ist nicht wirklich frei von Korruption", so Štivičić.

Auf die Premiere in Wien freut sich Štivičić, die derzeit gerade ein paar Tage in Kroatien verbringt, wo sie an einem Film- und einem TV-Projekt arbeitet. Im Vorfeld habe sie einige Proben-Tage in Wien verbracht und das Ensemble kennengelernt. "Ich mag den Ansatz von Martin Kušej. Und freue mich schon darauf, das Endprodukt zu sehen!"

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