© FBW / Rolf Beck

Theater Wien

Theaterreview: Der Tatortreiniger und die Sozialkritik

Wer der Freien Bühne Wieden noch nie einen Besuch abgestattet hat und offen für eine Zeitreise ist, wird sich noch lange an sein erstes Mal im Grätzltheater des 4. Bezirks erinnern.

Die altmodischen Räumlichkeiten, der typische Bühnen-Geruch, das elegante Buffet mit seinen eleganten Gästen – hier putzt man sich noch raus, wenn man ins Theater geht. Zum Zeitpunk der Premiere von “Der Tatortreiniger” ist das natürlich nicht anders! Das Publikum hat sich merklich auf einen vergnüglichen Abend eingestellt.

Vom TV auf die Bühne

Mit “Der Tatortreiniger” sollte dies ja klappen, zumal die gleichnamige TV-Serie mit dem Deutschen Comedypreis für die “Beste Comedyserie” ausgezeichnet wurde. Und nicht nur das: Die Drehbuchautorin Mizzi Meyer sowie Hauptdarsteller Bjarne Mädel erhielten ebenso Preise. Wie also schafft es ein kleines Wiener Theater, diese deutsche Kultserie für die Bühne zu adaptieren?

Erstens musste natürlich abgespeckt werden, denn die insgesamt 31 Folgen lassen sich schwer an einem Abend unterbringen. So wählte Michaela Ehrenstein, Direktorin der Freien Bühne Wieden, drei Folgen aus, die aktuelle, gesellschaftskritische Fragen aufwerfen. Sie selbst führte nur bei einem Einakter Regie – die anderen beiden hatten Kolleginnen übernommen.

Hausverstand statt Intellekt

Was bzw. wer sich als roter Faden durch das Stück zieht, ist Heiko Schotte (gespielt von Wilhelm Prainsack). Dieser gerät durch seine gewöhnungsbedürftige Tätigkeit in ungewöhnliche Situationen. Die haben aber meist nichts mit dem Tatort selbst, sondern mit den Menschen drumherum zu tun. Schotte begegnet ihnen weniger mit Intellekt, sondern mit einer gesunden Portion Hausverstand. Und das reicht – meistens zumindest.

Ob radikale Veganerin, feministische Jungmutter oder lesbische Wohltätige – die Frauen, auf die Schotte trifft, stehen jeweils für gesellschaftlichen Diskussionsstoff. Alle DarstellerInnen geben sich Mühe, die zum Teil heiklen Themen elegant zu jonglieren. Besonders sticht dabei Nici Weiss im zweiten Teil (“Fleischfresser”) hervor, die charmant und griesgrämig zugleich ist.

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Schwierige Themen, mundgerecht verpackt

Die Dialoge muten mitunter etwas naiv oder plump an. Alle jene, die sich bisher selten mit Themen wie Feminismus, Nachhaltigkeit oder Queerness beschäftigt haben, kann dieses Stück zum Nachdenken anregen. Für alle anderen fühlt es sich wohl mehr nach Babyschritten auf bekanntem Terrain an.

Und auch die Gags zünden nicht immer so wie erhofft. Trotzdem kann man es dem Stück durchaus zu Gute halten, das Experiment zu wagen und in einem traditionsbewussten Theater einen zeitgerechten Ton anzuschlagen.

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