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Was ist los in Graz

Zeitreise in Graz: So war das Dorfleben vor 100 Jahren

Den Zerfall der dörflichen Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts thematisiert die Ausstellung "In einer zerrissenen Zeit" im Museum für Geschichte Graz des Universalmuseums Joanneum. Illustriert wird der Wandel anhand der Veränderungen in der Steiermark in den Jahren um den Ersten Weltkrieg. Damals lebte der Großteil der steirischen Bevölkerung am Land. Industrialisierung, Urbanisierung und die Folgen des Weltkrieges haben die agrarisch geprägte Welt nachhaltig verändert.

Beschauliches Leben am Land?

Glückliche Hühner, ein beschauliches Leben im Grünen - die Sehnsucht nach Natur, Ruhe und Dorfidylle in unserer Gesellschaft ist groß. Mit der Realität hat diese idyllische Vorstellung des Landlebens oft wenig zu tun - heute nicht und auch schon nicht vor 100 Jahren. "Wir können uns in die Lebensbedingungen vor hundert Jahren nur sehr schwer hineinversetzen, weil es uns an Wissen und Erinnerung fehlt, wie all das, was uns umgibt, schrittweise entstanden ist", sagt Ausstellungskurator Harald Heppner, emeritierter Professor vom Institut für Geschichte der Universität Graz, der am Mittwoch einen Einblick in die Ausstellung gab. Sie ist ab Freitag, 29. April zu sehen.

Die Präsentation in den drei Räumen im Erdgeschoß des Museum für Geschichte führt vor Augen, wie wenig beschaulich sich das Leben der ländlichen Gesellschaft im frühen 20. Jahrhundert gestaltete. Heppners Resümee: "Die Menschen im Dorf mussten sich um die meisten Angelegenheiten des Alltags selbst kümmern, weil es niemanden gab, der ihnen diese Sorge abnehmen hätte können". Vor allem wird auch deutlich, dass sich die Situation der Dorfbevölkerung vor dem, während des und nach dem Ersten Weltkrieg sich gravierend verändert hat.

Steirische Landbevölkerung

Mehr als die Hälfte der Steirerinnen und Steirer zählten vor dem Ersten Weltkrieg zur Landbevölkerung. Sie wurden Teil einer Entwicklung, in der tiefgreifendere Veränderungen vor sich gingen: Bereits mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert setzte die Abwanderung in die Städte ein. Kleinbauern, Keuschler und Dienstboten versuchten in der Industrie Arbeit zu finden. Gleichzeitig vollzog sich in der Landwirtschaft ein großer Wandel: Technische Neuerungen sorgten für mehr Produktivität aber zugleich für weniger Arbeitsplätze. Der viereinhalb Jahre dauernde Erste Weltkrieg bewirkte zusätzlich, dass bald nichts mehr so war, wie es einmal war.

Sichtbar wird das an einer Vielzahl an Fotografien, Auszügen aus Gemeinde-, Polizei-, Schul- und Pfarrchroniken, Tagebuchseiten und Zeitungsartikeln, die er für die Ausstellung zusammengetragen hat. Für die Jahre bis 1914, die "Wucht des Kriegsgeschehens" und das "Bangen um die Zukunft" in der Zwischenkriegszeit wurden jeweils eigene Räume gestaltet.

Grundlage der Ausstellung war das Forschungsprojekt namens "Zwischen Angst und Hoffnung. Rurale Perspektiven im Zeitalter des großen Krieges", dessen Titel das ländliche Stimmungsbild im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wohl präzise wiedergeben dürfte.

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