Intendant Hermann Schneider und Geschäftsführer Thomas Königstorfer

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Was ist los in Oberösterreich

Musiktheater Linz feiert heuer 10-jähriges Jubiläum

Am 11. April 2013 wurde das Linzer Musiktheater eröffnet, 2023 feiert man "nicht aus Eitelkeit, sondern um zu sagen, wie wichtig es ist, dass es das gibt und wie dankbar wir dafür sind", sagt Intendant Hermann Schneider in einem APA-Interview zum Zehn-Jahr-Jubiläum mit Geschäftsführer Thomas Königstorfer. Die Besucherzahlen seien zufriedenstellend, man könne aber nicht mehr so Theater machen wie vor zehn Jahren, "weil die Bedürfnisse des Publikums andere sind".

Der Stimmung des Publikums folgen

Theater habe auch viel mit der Psyche, mit seelischer Verfasstheit zu tun, so Schneider, der seit der Saison 2016/17 Intendant in Linz ist. "Ich glaube, wenn es Ihnen sehr gut geht, können Sie es sich psychisch leisten, sich mit dunklen und schweren und komplexen Dingen auseinanderzusetzen, im Gegenteil, Sie haben vielleicht sogar eine Sehnsucht oder ein Bedürfnis danach." Nun frage der Intendant danach, was die Leute jetzt brauchen, "und damit passe ich mich nicht irgendeinem Zeitgeist an, sondern gebe den Leuten das, was diese Institution ihnen zu geben vermag. Das heißt ja nicht, dass wir keine moderne Kammeroper in der Blackbox machen, aber das, womit ich die Leute erreichen und berühren kann, ist erst einmal im Zentrum der Arbeit." Kritik an dieser Auffassung halte er gerne aus.

Aus vielen Erfahrungen der vergangenen Jahre wie Corona sei eine große Verunsicherung da, und es gehe auch darum, "den Leuten eine Sicherheit zu geben im Ritual eines Theaterbesuchs ... etwas, wo sie sich wiederfinden, wo sie gerne sind". Dieses Zugehen auf das Publikum und dass man 2021 das einzige Theater war, das bis Ende Juli durchgespielt habe, führte Königstorfer als Gründe an, warum man von 2020/2021 auf 2022/2023 Abonnenten zurückgewonnen habe und die Besucherzahlen im September/Oktober 2022 nicht um bis zu 50 Prozent eingebrochen seien wie anderswo. Im Sommer 2021 startete man diverse Open-Air-Formate, im Februar 2022 die hochpreisige Reihe "Great Voices" mit Juan Diego Florez, heuer mit u.a. Elina Garanča: "Wir sind während des Lockdowns im Dezember 2021 in den Vorverkauf gegangen, obwohl wir nicht wussten, ob es im Februar einen Lockdown gibt oder nicht. Es gab keinen, und wir waren ausverkauft", beschreibt Königstorfer "Dinge, wo wir versucht haben, trotz Unsicherheit Präsenz zu zeigen".

Produktionen öfter spielen

In der laufenden Saison seien bis zum Ende bereits 260.000 Tickets verkauft, mit knapp 300.000 Besucherinnen und Besuchern kalkuliere man. Dabei seien mit 8,8 Millionen Euro bereits die Erlöse aus der Vorsaison (8,7 Mio. Euro) übertroffen worden. "Es ist ein Phänomen, dass die Leute momentan mehr ausgeben als in der Vergangenheit", erklärte Königstorfer, der nach einem Gastspiel am Wiener Burgtheater (2013-2019) seit 2019 neuerlich die kaufmännische Direktion innehat. Die einzelnen Kartenpreise seien nicht so stark angehoben worden, aber "die Leute kaufen hochpreisigere Tickets. Das, was sie auswählen, ist den Besuchern mehr wert". Bei den Abos liege man 5,2 Prozent höher als im Vorjahr, aber noch unter Vor-Corona-Niveau.

Auch die 2018/19 ins Auge gefasste Strategie, Produktionen öfter zu spielen, habe gut gegriffen und sei "ein wesentlicher Grund, warum wir in der heurigen Saison gut dastehen". Gestiegene Energiekosten - von rund 30 Prozent auf 1,3 Mio. Euro - seien heuer aus Rücklagen gedeckt, langfristige Verträge würden erst Ende 2023 auslaufen. Es gebe ein Bündel von Maßnahmen, unter anderem eine Erweiterung der PV-Anlage am Dach und die Umstellung auf LED beim Licht, so Königstorfer.

Festakt zum 10. Geburtstag

Zu den Feierlichkeiten im April wird es neben den "Meistersingern von Nürnberg" - "die hätten wir auch so gemacht" - einen Kindergeburtstag geben: "Wir laden die Kinder ein, die 2013 geboren sind, die genauso alt sind wie das Theater, und machen mit denen etwas", kündigte Schneider an. Weitere Programmpunkte sind ein Festakt mit geladenen Gästen und ein Tag der Offenen Tür, denn das Haus gehöre allen Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern.

Bewährt habe sich am Musiktheater "ganz praktisch gesprochen, dass alles unter einem Dach ist". "Es ist alles da, Probebühnen, die Kostüme, die Werkstätten, das ist ein Haus der kurzen Wege, es ist ökologisch sinnvoll, weil man keine Lager braucht und keine Transportcontainer. Und es ist sehr identifikationsstiftend, weil auch der Techniker, der Kollege, der in der Tischlerei arbeitet, über die Bühne gehen kann, und sagen kann, das ist das Ergebnis meiner Hände Arbeit", ist Schneider nach wie vor begeistert. Er nimmt selbst auch regelmäßig einen anderen Weg durchs Haus und "schau mal hier rein, mal da. Ich glaube, das ist was ganz Großartiges, dass man den Mut hatte, so groß zu denken. Diese Qualität ist was ganz Entscheidendes für den Spirit und die Kraft, die in dem Haus herrscht."

Nicht missen möchte der gebürtige Kölner die Foyers, die den Leuten auch in Zeiten des eingeschränkten Besucherbetriebs den zu haltenden Abstand nicht zur Qual gemacht hätten. Künstlerisch ein großer Gewinn sei die Blackbox. "Ganz wenige Häuser haben eine zweite Spielstätte." Sie ermögliche dem Publikum "einen viel authentischeren, direkteren Kontakt, eine andere Erlebniswelt" als die große Bühne. Auf dieser erspielte sich vor allem das Musical in Linz einen gewissen Ruf. "Es ist mittlerweile so, dass Produzenten und Verlage wie Walt Disney Productions sagen, 'Das geben wir niemandem, aber ihr kriegt das, weil wir wissen, ihr seid auf dem Standard'." Die von Matthias Davids und dem gesamten Team geleistete Qualität "finden Sie sonst an keinem anderen Mehrspartenhaus mit einem festen Ensemble und Repertoiresystem".

Linz als Musical-Stadt

Für Musical-Darstellerinnen und -Darsteller sei Linz "eine künstlerisch bereichernde Geschichte, weil sie hier von Standard und Blockbustern bis hin zu Unbekanntem alles haben in einer Spielzeit", in ausgesprochenen Musicalhäusern würden sie hingegen drei Jahre immer das Gleiche spielen. Einen expliziten Darstellerwunsch gibt es nicht, "wir machen uns die Wunschbesetzung selbst", stellt Schneider fest. "Wenn Rollen aus dem Ensemble nicht besetzt werden können, holt Matthias Davids zum Teil sehr prominente Köpfe aus London, aus Deutschland oder aus Wien nach Linz", erinnert Königstorfer etwa an Ana Milva Gomes in "Ghost" und "Sister Act" und hebt aus dem Ensemble Lukas Sandmann hervor, der 2021 (für "The Wave") als bester Darsteller mit dem deutschen Musical-Theater-Preis ausgezeichnet wurde. "Mit der Mischung aus höchst professionellem Ensemble und prominenten Gästen sind wir um nichts schlechter als eine Stage in Hamburg oder die Vereinigten Bühnen in Wien", so Königstorfer.

Auch die einzelnen Spartenleitungen seien nach Wunsch besetzt und keine Änderungen geplant. Hinsichtlich einer größeren Linie in der Programmierung "lasse ich die Sparten sehr autonom arbeiten, ich weiß, der Name Davids ist auch ein Programm, das gilt aber auch für Stephan Suschke (Schauspiel), Nele Neitzke (Jugend) und Roma Janus (Tanz)", so Schneider, dessen Vertrag bereits bis 2026 verlängert wurde. Für die von ihm betreute Oper werde es immer den Schwerpunkt geben, "dass wir uns mit der deutschen romantischen Literatur eines Richard Wagner, eines Richard Strauss auseinandersetzen, weil wir dieses großartige Bruckner Orchester haben, weil wir diesen Raum, einen Orchestergraben haben, wo man das machen kann. Daraus leite ich ein Stück weit eine Verpflichtung ab. Hier können Sie ein 'Elektra'-Orchester einfach in den Orchestergraben setzen, das ist für viele andere Bühnen schon ein Gewaltakt." Weiters habe es bisher fast jedes Jahr eine Mozart-Oper gegeben, "da wird man sehen, wo knüpft man an", und eine dritte Linie sei jene mit der italienischen Oper mit dem ständigen Gastdirigenten Enrico Calesso. "Ein Stück weit ein Profil für uns ist auch das Moderne, das Zeitgenössische, da spielt vor allem die Blackbox eine Rolle, dieser multifunktionale Raum, in dem wir zeitgenössische Kammeropern machen, Auftragswerke und Erstaufführungen."

Innovation im Musiktheater

Darüber hinaus arbeite man im EU-Programm "PlayOn!", mit Kooperationspartnern in York und Dortmund, daran "neue Formate und auch Hybride zu generieren", unter Einbeziehung immersiver Technologien wie Virtual oder Augmented Reality. Es gebe eine Reihe von Projekten für das Junge Theater, "weil das ein Publikum ist, das weitaus technikaffiner ist". Auch sei dies die Generation, die unter der Pandemie und den geschlossenen Türen am meisten gelitten hätte. "Was mach ich mit denen, die zwischen sechs und acht Jahren nicht ihre erste Theatererfahrung hatten? Wo hole ich die ab? Was kennen die? Videospiele kennen sie und da arbeiten wir mit der FH Hagenberg und anderen Institutionen, die Dinge für uns entwickeln und auch mal solche Formate generieren, um die zu erreichen", kümmert sich Schneider um die nächste Generation Theaterpublikum.

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