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Was ist los in Wien

Drag-Queen-Lesung in Wien: Anzeigen nach Hitlergruß

Unter massivem Polizeiaufgebot und dem Lärm von Demo und Gegendemo ist am Sonntag in einem Szenelokal der LGBTIQ+-Community in Wien eine Drag-Queen-Lesung für Kinder über die Bühne gegangen. Während sich vor der Türkis Rosa Lila Villa in der Linken Wienzeile rechte und linke Demonstrant:innen lautstark mit Marschmusik bzw. queeren Hymnen beschallten, verfolgten im Obergeschoß des Lokals Villa Vida zahlreiche Familien die Performance von Künstlerin Freya Van Kant.

Rechte und linke Demonstrationen

Laut Polizei hätten insgesamt mehreren Hundert Personen an den Demonstrationen teilgenommen. Darunter waren auch Vertreter der FPÖ, der Identitären um Martin Sellner und Personen aus dem Hooligan-Umfeld. Auch christliche Fundamentalisten waren erwartet worden. Zu sehen war neben Bannern mit dem Schriftzug "Kinder schützen ist kein Verbrechen" oder "Keine Genderindoktrination mit meinen Steuern" auch ein Demonstrant mit Kreuz. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp hatte eine Absage der Drag-Queen-Lesung gefordert, es sei "eine inakzeptable Frühsexualisierung von Kleinkindern" statt. Anfang März hatte die FPÖ in einer Sondersitzung des Wiener Landtags ein generelles Verbot von Drag-Queen-Shows für Kinder gefordert.

Mit der Einrichtung des gesetzlich vorgesehenen Schutzbereiches sei es gelungen, ein Aufeinandertreffen der Konfliktparteien zu verhindern. Gegen Mittag marschierte ein Teil der Versammlungsteilnehmer von der Linken Wienzeile in die Wiener Innenstadt. Während des gesamten Marsches hätten Personen versucht, den Marsch der Befürworter:innen zu stoppen bzw. Teilnehmer:innen zu attackieren.

Zwei Personen seien nach dem Verbotsgesetz angezeigt worden, nachdem sie den Hitlergruß gezeigt hatten. Auch Pfefferspray wurde von den Sicherheitskräften angewendet, nachdem linke Demonstrant:innen versucht hatten, einen Demonstrationszug von Gegnern der Lesung gewaltsam zu stören, teilte die Polizei in ihrer Bilanz mit.

"Hier wird nicht über Sex gesprochen."

Jene Familien, die sich für die Drag-Queen-Lesung angemeldet hatten, ließen sich von dem Trubel nicht abschrecken. "Es kann nicht die Konsequenz sein, dass die Einschüchterung funktioniert", betonte eine Mutter im Gespräch mit der APA. Rund 40 Personen waren, wie ursprünglich geplant, zur Veranstaltung gekommen, die wegen der Demos in den ersten Stock verlegt worden war. Dort inszenierte Künstlerin Freya van Kant im roten Glitzer-Tüllkleid und auftoupierter blonder Perücke eine Märchengeschichte, wie man sie aus dem klassischen Erlebnis-Kindertheater kennt, samt Tanzeinheit und Fechtrunde mit Schwimmnudeln - nur dass diesmal die Prinzessin den vom Drachen verschleppten Prinzen retten musste und nicht umgekehrt.

"Hier wird nicht über Sex gesprochen. Hier geht es um Lieblingsfarben, um Lieblingskleidung und darüber was es bedeutet, einzigartig zu sein", betonte Stephane Magloire, Organisator des "Queens Brunch" und der insgesamt dritten Drag-Queen-Lesung in der Villa Vida, im APA-Gespräch. Bei den Drag-Queen-Lesungen würden Geschichten vorgelesen, in denen es darum gehe, man selbst zu sein und zu einem glücklichen Menschen zu werden, erklärte auch van Kant. "Das sind Geschichten, die jedem Kind gut tun", es gehe darin um Menschenwürde und auch um christliche Werte wie Nächstenliebe. Es sei sehr befremdlich, dass ein "rechter Mob", dessen einziges Ziel es sei, Zwietracht zu sähen und Angst zu verbreiten, gegen Derartiges mobilisiere.

Community wehrt sich

Die Türkis Rosa Lila Villa war erst Ende März Angriffsziel, als mutmaßliche Rechtsextreme auf ein Baugerüst kletterten, ein Plakat mit einer gegen die Community gerichteten Parole befestigten und hunderte Flugblätter verteilten. Auch Drag-Queen-Lesungen waren bereits im Visier von mutmaßlich Rechtsextremen: Im Vorjahr wurde vor einer Lesung in einer Wiener Bücherei im Rahmen des Pride-Monats der Eingang zugemauert. Aktivistinnen und Aktivisten der Community, Grüne und SPÖ hatten für die heutige Lesung ursprünglich ein Platzverbot gefordert, um den Lesungsteilnehmern sicheren Zugang zu ermöglichen. Stattdessen wurde nur der bei mehreren Demos vorgeschriebene Schutzbereich eingerichtet.

Van Kant hatte im Vorfeld angesichts der Gewaltdrohungen im Internet und von Medienberichten, in denen gegen die Community polemisiert worden sei, kurz über eine Absage der Veranstaltung nachgedacht. Es sei aber schnell klar gewesen, dass es hier um etwas Wichtiges gehe. "Die Angstmacher-Taktik hat nicht gefruchtet." Auch die zur Veranstaltung angemeldeten Eltern hätten einhellig rückgemeldet, dass es ihnen trotz der Demo wichtig sei, zur Veranstaltung zu kommen. "Wir stehen auf als Community", so Magloire. Van Kant zeigte sich nach der Veranstaltung mit Blick auf die Solidaritäts-Veranstaltung zufrieden. "Am heutigen Tag hat die Wiener Gesellschaft gezeigt, wie tolerant und bunt sie ist."

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