© Julian Röder

Was ist los in Wien

Wiener Festwochen: "Angela (a strange loop)" zeigt die Zukunft

Viele Theatermacher:innen versuchen, von heute aus einen Blick in die Zukunft zu wagen. Susanne Kennedys Produktionen sind da anders. Sie scheinen direkt aus der Zukunft zu kommen und uns einen Besuch abzustatten. Sie sind keine Experimente, sondern selbstbewusste ästhetische Behauptungen. Das ist auch bei "Angela (a strange loop)" so. Die neue Arbeit hatte kürzlich beim Kunstenfestivaldesarts in Brüssel Premiere und ist ab Sonntag bei den Wiener Festwochen zu sehen.

Zwischen realer und digitaler Welt

An sich scheint die Wohnung, in der sich die etwas über 100-minütige Handlung abspielt, ganz unspektakulär. Zentral steht ein Tisch mit zwei Sesseln, dahinter eine Küchenzeile, daneben eine Matratze, auf der die hier wohnende junge Frau schläft. Doch überall lauern Irritationen. Was sollen etwa vier im Raum verteilte Kleinskulpturen darstellen?

Warum ist "Exit" das zentrale, mehrfach auf dieser Bühne präsente Wort? Was für ein Text läuft da über ein weißblaues Schriftband? Welche Geheimnisse bergen zwei fast leere Nebenräume? Wie ist die künstlichen Lagerfeuerinstallation auf der linken Bühnenseite zu verstehen? Und vor allem: Was von allem, das man sieht, ist real und was digital? Und was vielleicht bloß trivial?

Endlosschleife voller rätselhafter Zeichen

Von Anfang an setzte die 1977 in Friedrichshafen geborene Regisseurin in ihrer Arbeit Verfremdung und Künstlichkeit gegen Narration und Realismus. Dazu zählt der radikale Verzicht auf herkömmliche Mimik, Gestik und Sprache, auf die Verwendung von Masken, automatenhaften Bewegungen sowie Stimmen und Geräuschen vom Tonband.

Seit ihrer Zusammenarbeit mit dem bildenden Künstler Markus Selg sind ihre Bühnenabende zunehmend nicht mehr Interpretationen (wie "Die Selbstmord-Schwestern - The Virgin Suicides", die 2018 bei den Festwochen zu Gast waren), sondern Installationen (wie "Einstein on the Beach", das im Vorjahr in Wien zum immersiven Tranceerlebnis wurde). Auch "Angela" beschäftigt alle Sinne und nimmt einen mit in eine Endlosschleife voller rätselhafter Zeichen.

TikTok und Corona

Soll man versuchen, diesen "strange loop" zu entschlüsseln oder ihn einfach auf sich wirken lassen? Das ist eine der Hauptfragen, denen man sich als Zuschauer:in zu stellen hat. Angelas Stoffhund taucht als animierter Erzähler und Analytiker auf einem Bildschirm auf. Angela selbst sendet banale TikTok-Nachrichten an ihre Follower:innen, obgleich sie immer wieder zusammenbricht und sich mehrfach anhören muss: "Don't worry. It's only: You are dying." Krankheit und Vereinzelung spielen eine Rolle, das Auseinanderbrechen von Routine und Normalität. Corona hat deutliche Spuren hinterlassen,

Angela erhält durch die beiden künstlich knarrenden gelben Türen des Raums immer wieder Besuch. Es sind offenbar ihre Mutter, ihr Freund, eine Freundin und eine mythologisch überhöhten Figur, die ein eigenartiges Instrument mit sich führt. Nichts wirkt natürlich, nichts spontan in dieser Verbindung aus Psychologie und Sci-Fi, Märchen und Manga. Und dennoch warten Handlung und Bühnentechnik noch mit einigen Überraschungen auf bei dieser Produktion, die in Brüssel mit Begeisterung aufgenommen wurde.

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