© Daniel Hill

Kabarett Wien

Josef Jöchl: "Stand-Up-Comedy ist Empowerment"

In der heimischen Kabarettszene weht ein frischer Wind, immer mehr neue Talente machen den Sprung auf die Kleinkunstbühnen des Landes. Josef Jöchl zum Beispiel. Der gebürtige Tiroler ist Mitbegründer des bekannten politisch-korrekten Comedy Clubs PCCC* und Veranstalter der “Langen Nacht der Sexkolumnistinnen”. Sein erstes Soloprogramm “Nobody” (2020) wurde mit dem Freistädter Frischling ausgezeichnet, für das Magazin “The Gap” schreibt er zudem die Kolumne “Sex and the Lugner City”.

Nun präsentiert Jöchl sein zweites Programm "Die kleine Schwester von Nett". Im Interview verriet er uns, wieso ihn das Thema "Nettigkeit" bzw. der "Wohlfühlkapitalismus" inspiriert und warum jede/r von uns einmal auf einer Bühne stehen sollte.

Du widmest dich in deinem neuen Programm dem Überthema des „Nett-Seins“. Ist Österreich in Sachen Nettigkeit eine gute Inspirationsquelle?

Es ist natürlich immer die Frage, ob man von einem Individuum auf eine größere Personengruppe schließen kann. Dass man aber in Österreich gerne herumlarviert und dass hierzulande lieber komische Ausflüchte gesucht werden, als Dinge konkret beim Namen zu nennen, ist schon so. Man kann zudem einen leichten Hang zur Schleimerei in der österreichischen DNA verorten.

Wien wurde im vergangenen Jahr zur unfreundlichsten Stadt der Welt gewählt – kannst du das unterschreiben?

Ehrlich gesagt schon. Wenn man ein bissl gereist ist und internationale FreundInnen hat, sagen die oft, dass es schwierig ist, in Wien den Fuß auf den Boden zu bekommen. Dass Wien schon eine Stadt ist, die sehr in ihren Cliquen funktioniert, wo man nicht, wie etwa in Berlin, FreundInnen für eine Nacht hat. Die Herzen der WienerInnen öffnen sich nicht schnell. Was meine internationalen FreundInnen aber auch sagen: Wenn man diese Herzen mal hat, hat man sie für immer.

Was erwartet uns bei „Die kleine Schwester von Nett“? Welche Themen greifst du darin auf?

Ich rede nicht explizit über den Lockdown, aber wir haben halt schon zwei Jahre hinter uns, in denen wir sehr darauf bedacht waren, es in unseren eigenen vier Wänden fein zu haben. Wir haben bei Mjam bestellt, haben Streamingdienste geschaut, haben unsere Wohnungen richtig schön hygge gemacht .... Ich spreche also unter anderem über den „Wohlfühlkapitalismus“, und wie weit wir gehen, um die Vielzahl an Krisen, die uns derzeit umgeben, ein bisschen ausblenden zu können. Es geht viel um die psychische Verfassung in einer krisenbehafteten Zeit.

Was zeichnet dich als Kabarettisten aus?

Meine FreundInnen sagen mir oft, ich sei auf der Bühne genauso, wie wenn ich mit ihnen was trinken gehen würde. Das hört sich zuerst gut an, aber ist eigentlich gar nicht so cool. Mir ist es schon passiert, dass ältere Herren nach der Vorstellung zu mir gekommen sind und meinten: „Jo, des wird scho wieder!“, weil ich so viel von mir auf der Bühne preisgebe. Oder als ich einmal bei einem Wettbewerb mitgemacht habe, hat der Freund einer Kollegin danach zu mir gesagt: „Du weißt schon, dass du hier richtigen Kabarettisten den Platz wegnimmst?“ Obwohl mir sowas gesagt wurde, versuche ich, diese Seite von mir als Stärke zu nehmen. Ich wirke auf die Leute echt, bin sehr durchlässig auf der Bühne und spiele keine fremde Persona. Es ist eben viel Josef! (lacht)

Stefanie Sargnagel hat dich als "Die schwule Lisa Eckhart" bezeichnet. Was sagst du zu dieser Beschreibung?

Vielleicht spielt sie darauf an, dass ich manchmal auch meine Freude daran habe, das Publikum nicht genau wissen zu lassen, was ich ernst meine und was nicht. Ich experimentiere gerne mit Ambivalenz. Daher liebe ich dieses Zitat, weil es schön verwirrend ist.

Wie verortest du aktuell die heimische Kabarettszene? Was findest du cool, was vielleicht nicht so?

In den letzten Jahren gab und gibt es gerade in Wien wirklich viele freshe KünstlerInnen. Im Vergleich zu den Jahrzehnten davor gibt es aktuell viele tolle, junge Talente. Auch ist es super, dass Häuser wie das Kabarett Niedermair solche Talente fördern und ihnen Auftrittsmöglichkeiten gibt.

Allerdings tun sich Leute, die eher reine Comedy machen, in Wien ein bissl schwerer. In deutschen Städten wie München oder Berlin gibt es längst eigene Venues, wo nur Stand-Up-Comedy läuft. In Österreich wird das alles schnell in die traditionelle Kabarett-Schiene eingemeißelt, denn „Comedy“ zieht hierzulande die Massen nach wie vor nicht so an. Kabarett hat so einen hohen Stellenwert hier und ist mega-populär. Neue Kunstformen brauchen in Österreich immer ein bissl länger, bis sie sich etablieren können – was Vor- und Nachteile hat.

Sprich, du würdest dein Programm eher als „Comedy“ definieren? Oder ist es eine Mischform aus Comedy und Kabarett vielleicht?

Ich glaube, es ist bei den meisten eine Mischform. Bei meinem allerersten Programm habe ich Witze, Witze und nochmal Witze gebracht. Ich habe aber schnell auf der Bühne gemerkt, wie sehr es mir taugt, längere Spielszenen zu machen. Daher geht das neue Programm durchaus mehr in Richtung Kabarett. Ich glaube, jede/r findet sich darin einen Teil, der gefällt.

Du kommst ursprünglich aus Tirol. Was hat dich nach Wien bzw. dann auch auf die Bühnen Wiens gezogen?

Es hat mich weniger nach Wien gezogen, als dass mich Tirol abgestoßen hat (lacht). Ich bin in der kompletten Pampa aufgewachsen und wollte in einer Stadt leben – und das hab ich nie bereut. Der Sprung auf die Bühnen ist eigentlich total und zufällig spät passiert. Ich habe vor fünf Jahren mit dem PCC begonnen, was aber mehr Zufall war. Ich habe es nicht kommen sehen, bin mittlerweile aber total begeistert davon. Auf der Bühne zu stehen ist extremes Empowerment, insbesondere für die eigene Persönlichkeit. Ich kann es wirklich jedem und jeder empfehlen, einfach mal Stand-Up zu machen bzw. einmal bei einem Open Mic-Abend mitzumachen. Es ist eine super Gelegenheit, mehr über sich zu lernen und sich mit anderen Menschen zu verbinden.

Josef Jöchl gastiert im Herbst mit seinem neuen Programm "Die kleine Schwester von Nett" live im Kabarett Niedermair. Die Termine gibt es hier im Überblick:

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare