Nico Santos kommt mit seinem neuen Album "Ride" 2024 nach Wien.

© Christoph Köstlin

Konzerte

Nico Santos: "Man ist doch fragiler, als man denkt"

Nico Santos ist aus der Musikwelt gar nicht mehr wegzudenken, mit über einer Milliarde Streams ist er aktuell einer der erfolgreichsten Künstler im deutschsprachigen Raum. Hits wie "Play With Fire", "One Day" oder "Rooftop" brachten ihm eine riesige Fangemeinde ein, Tendenz steigend. 

Drei Jahre nach seinem selbstbetitelten zweiten Album legt er nun mit "Ride" seine dritte Platte nach. Und liefert darauf neben tanzbaren Pop-Hymnen oder spanischen Klängen auch ernstere Töne, die zeigen, dass der große Ruhm in den vergangenen Jahren seinen Preis gefordert hat.

Viele Lieder darauf entstanden auf der griechischen Insel Santorini, der Lieblingsinsel von Santos, der bürgerlich Nico Wellenbrink heißt. Am 25. Februar 2024 kommt er mit den neuen Songs im Gepäck live nach Wien. Wobei der Popstar schon vorher einen kurzen Sommer-Besuch machte: Am Mittwochabend gab er ein Geheimkonzert im Museumsquartier. Die Karten wurden von Eskimo verlost.

Im Interview mit events.at verrät der sympathische 30-Jährige, was die Fans beim nächsten Gig erwartet und warum er das österreichische Publikum so schätzt. Auch spricht er offen über seine Panikattacken, die Höhen und Tiefen des Berühmtseins – und was ihn durch schwierige Zeiten gebracht hat.

Was beschreibt der Albumname "Ride" für dich?

Die letzten drei Jahre, die einfach ein wilder Ritt waren. Ich habe die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen erlebt und mich gefragt: Wie fasse ich das am besten zusammen? Daraus entstand auch der Song "Ride", der dem Album den Titel gab.

Welche Höhen und Tiefen hast du darauf verarbeitet?

Die Höhen waren für mich, dass ich geheiratet habe und dass ich mein Zuhause gefunden habe. Dass ich erkannt habe, dass sich auch die tiefsten Tiefen durch solche schönen Momente wieder regulieren können. Ein Tiefpunkt war etwa, dass ich zum ersten Mal richtig gespürt habe, was Stress alles im Körper auslöse kann, dass ich sogar Panikattacken entwickelt habe. Das war für mich selbst so erschreckend, weil ich eigentlich ein Mensch bin, der sonst sehr gut mit Druck umgehen kann. Aber wenn zu viel zusammenkommt, wenn man auch die Familie lange nicht sehen kann – etwa damals in den Lockdowns ...

Ich konnte aber auch etwas Positives daraus ziehen, indem ich Songs geschrieben habe, die beispielsweise davon handeln, dass man jemanden gefunden hat, mit dem man durch diese Tiefen gemeinsam gehen kann.

"Ride", das dritte Album von Nico Santos.

© Universal Music

Da sprichst du von deiner Frau, der du sogar drei Lieder auf dem neuen Album gewidmet hast. Wie viel Mitspracherecht hatte sie dabei?

Ganz schön viel! (lacht). Es gibt sogar einen Song, der es nur aufs Album geschafft hat, weil sie ihn so liebt. Und jetzt bekomme ich viele Zuschriften von Fans, dass das sogar ihr Lieblingssong auf dem Album ist.

Generell klingt die Platte sehr hoffnungsvoll, sehr sommerlich. Der Song "Blood" reißt da aber heraus. Was ist die Geschichte dahinter?

Das ist genau der Song! "Blood" erzählt von diesen schlechten Momenten, aber auch davon, dass man jemanden gefunden hat, bei dem man zum ersten Mal merkt: Diesmal ist es wirklich anders! Eigentlich habe ich meiner Frau noch viel mehr Songs auf dem Album gewidmet als nur drei, denn man schreibt eben über diese eine Person, die dieses gute Gefühl in einem auslöst ... die trotz aller Veränderungen im Leben bei einem bleibt.

In den letzten drei Jahren hat sich vieles bei dir getan: Neues Album, viele Auftritte, man sieht dich regelmäßig vor der Kamera in Shows … Wie schwierig ist es, bei so viel Erfolg noch "ganz der Alte" zu bleiben?

Ich selbst weiß, dass ich gleich geblieben bin, das werde ich auch niemals ablegen. Ich habe aber gemerkt, dass ich mein Privatleben doch ein bisschen mehr schützen muss. Klar, durch meine Musik spreche ich zwar auch darüber. Aber meine Frau und meine Familie stehen grundsätzlich nicht viel in der Öffentlichkeit – wenn, dann nur musikbezogen.

Erst unlängst bin ich in einen Junggesellinnenabschied gestolpert, und am Ende wusste der ganze Zug, dass ich auch da bin. Meine Gruppe kam aber gerade von der Hochzeit einer Freundin, sprich wir waren natürlich privater unterwegs. Aber da war ich nun fünf Stunden in diesem Zug unter Menschen … da konnte ich gar nicht der Nico sein, der ich privat bin, weil ich mich und uns schützen möchte.

Natürlich habe ich mir dieses Leben in der Öffentlichkeit ausgesucht, aber manchmal muss es trotzdem diese Momente geben, wo man einfach abschalten kann. 

Wie gehst du als Star mit Druck und etwaigen Hassbotschaften um?

Es ist immer so: Unter hundert positiven Kommentaren ist auch ein negativer, und ausgerechnet der bleibt im Kopf hängen! Glücklicherweise bin ich aber sehr vergesslich (lacht). Deswegen vergesse ich oft einfach darauf bzw. gehe gar nicht darauf ein. Ich bin generell ein sehr positiver Mensch, aber natürlich gibt es Momente, wo man sich Negatives zu Herzen nimmt. Von Kritik lernt man aber viel, auch über sich selbst. Konstruktive Kritik schätze ich zum Beispiel mehr, als reines Lob. Ich merke, dass ich meist versuche, das Beste daraus zu machen, … aber klar, das funktioniert nicht immer. Wie gesagt, davon handelt "Ride" auch: Ich hatte meine ersten Panikattacken, was wohl auch eine Akkumulation war aus: Familie nicht sehen können, Corona, zu viel Stress, sich selbst zu viel Druck machen ...

Ich jage dem Erfolg nicht nach – ich will einfach Musik machen und darf diese Passion glücklicherweise als Beruf ausüben. Aber da gibt es kein "Ziel", es ist eine konstante Reise. Das ist auch das Schöne daran! Doch die Angst, dass man das vielleicht verlieren könnte, war auch ein großer Punkt für mich. Und wenn das alles mal zusammenkommt, merkt man plötzlich, dass man doch etwas fragiler ist als gedacht.

Du hast auf "Ride" auch mit einigen anderen Künstler:innen zusammengearbeitet, für den spanischen Track "Mal Amor" etwa mit Àlvaro Soler. Wie war diese Erfahrung?

Àlvaro ist in den letzten Jahren einer meiner besten Freunde geworden. Wir haben de facto die gleiche Kindheit erlebt, zwischen Deutsch und Spanisch. Diese Gemeinsamkeit hat uns sehr zusammengeschweißt. 2018 haben wir für sein Album zum ersten Mal zusammen einen Track aufgenommen, dann haben wir letzten Jahr gemeinsam in Kuba einen Song gemacht für eine Doku über den Buena Vista Social Club. Und heuer haben wir nun für mein Album zusammengearbeitet.

Es war auch ein großer Wunsch meiner Fans, dass ich einmal ein Lied komplett auf Spanisch aufnehme, weil ich das seit vielen Jahren nicht mehr gemacht habe. Daher ist der gemeinsame Song auch ganz anders geworden als alle, die ich sonst so schreibe. Er handelt von einer fiktiven Person, der wegen einer falschen Liebe letztlich auch den falschen Weg geht und sich dadurch verliert. Es ist ein sehr mystischer und auch poetischer Song, aus dem man vielleicht auch lernen kann.

Bei der Single "Number 1" hast du für das Video eine KI die Regie führen lassen. Warum?

Das ist eine lustige Geschichte! Marvin Ströter und ich, mit dem ich schon viele Videos gedreht habe, haben uns überlegt: Was können wir nach all diesen gemeinsam Videos diesmal machen, das auch uns selbst auch überrascht? Da kam er auf die Idee, KI dafür zu benutzen. Ich fand dieses Tool, das einem einfach Ideen ausspuckt, super spannend.

Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?

Mein Learning daraus ist: Es hat natürlich viel Spaß gemacht, einfach zu drehen, was dir vorgeschrieben wird. Aber ich habe gesehen, dass dabei die menschliche Komponente fehlt. KI spuckt nur Dinge aus, die sie selbst bereits gelernt hat bzw. die andere Menschen schon einmal gemacht haben. Meiner Meinung nach wird ein Werk erst dann originell, wenn man es sich zusammen überlegt. Man sieht am Video, dass es ohne Zusammenhang ist, die Geschichte fehlt. Das fanden wir auf die Art zwar cool, man darf das aber auch nicht zu ernst nehmen. Am Ende brauchen Menschen einfach menschliche Hilfe, glaube ich.

Bei der Show "Sing meinen Song" tauschst du dich mit anderen Künstler:innen musikalisch aus. Wie verortest du derzeit den deutschsprachigen Pop-Markt?

Ich finde die aktuelle Entwicklung im Deutsch-Pop sehr spannend, da hat es einen großen Switch gegeben, vor allem durch den Einfluss von Rap und Hip-Hop. Die Grenzen verfließen immer mehr, man denkt nicht mehr stur in den einzelnen Genres. Ich bin gespannt, wohin das alles noch geht. Musik steht nie still, sie entwickelt sich immer weiter – und das ist gut so! Auch Pop-Künstler:innen, die "nur" Pop gemacht haben, werden sich künftig Neues überlegen. Ich glaube, dass noch einige weitere Genres entstehen werden.

Wirst du selbst künftig noch mehr mit anderen Genres experimentieren?

Das habe ich zum Glück immer schon gemacht, indem ich für andere und mit anderen Künstler:innen geschrieben habe. Hip-Hop, Schlager, Filmmusik für den Tatort, … Jetzt habe ich mein neues Album fertig geschrieben und wieder einen freien Kopf für Neues. Demnächst werden auch einige Dinge rauskommen, die auch für Nico-Fans ganz neu sein werden …

Im letzten Jahr warst du bei uns am Wiener Donauinselfest der Hauptact. Wie war der Auftritt für dich?

Definitiv einer meiner absoluten Lieblingsmomente 2022! Das Publikum in Österreich ist immer so dankbar und geht so ab! Das war unfassbar toll. Plus: Einer meiner engsten Jugendfreunde wohnt in Wien und war auch mit dabei. Es war so schön, daran zu denken, wie man früher zusammen von Musik geträumt hat, und dann spielt man tatsächlich auf diesem riesigen Open-Air-Gelände! 

Auf der „Ride“-Tour schaust du im Februar 2024 im Wiener Gasometer vorbei. Das dauert zwar noch eine Weile, aber worauf können die Fans sich freuen?

Auf eine komplett neue Show! Wir geben uns nicht mit Wiederholungen zufrieden, wir wollen immer wieder etwas Neues schaffen für die Fans. Diese Überraschungsmomente sind das Wichtigste – und darauf freue ich mich schon sehr.

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