Mann nach Hausdurchsuchung seit Sonntag in Untersuchungshaft

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Theater Österreich

Theater im Gefängnis: "Gitter auf für das Publikum!"

In der Grazer Justizanstalt Karlau feiert am Donnerstag eine ungewöhnliche Theaterproduktion Premiere: "Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück der Karlau Über-wachen und Verschlafen". Seit Oktober proben neun Gefängnisinsassen wöchentlich für etwa drei Stunden unter der Anleitung von Regisseurin Julia Gratzer, die sich anfangs gar nicht so sicher war, ob das Projekt überhaupt Anklang bei den Häftlingen finde: "Das erste und wichtigste Ziel war, bei den Insassen Interesse zu schaffen und gemeinsam Theaterkunst zu machen", so Gratzer im Gespräch mit events.at.

Dass durchaus Interesse bestand, zeigte sich schon bei den zwei Auswahlworkshops im Sommer 2023, an denen 21 Personen teilnahmen. "Bühnen-Vorkenntnisse waren dabei keine Voraussetzung, aber da einige der Häftlinge musikalische Vorerfahrung hatten, entwickelte Musiker Lothar Lässer die Idee, den Chor von Max Frisch unter anderem in eine Band zu übersetzen", erzählt Gratzer.

Theater als Ort der Selbstermächtigung

Über die Arbeits- und Herangehensweise habe sie sich viele Gedanken gemacht. Schließlich ist die Regisseurin auch Theaterpädagogin und hat somit einen vielseitigen "Methoden-Koffer" in der Hand. Der Fokus lag für Gratzer darauf, "Kunst zu machen – und dabei alle sozialen Begleiterscheinungen so gut wie möglich zu unterstützen". Hierfür habe sie unter anderem auf das "Psychodrama-Theater" nach Maria Theresia Schönherr sowie auf das "Theater der Unterdrückten" nach Augusto Boal zurückgegriffen – aber jeweils nicht in Reinform. Es gehe laut Gratzer bei allen theaterpädagogischen Herangehensweisen darum, dass angehende Schauspieler spielerisch mit sich selbst und ihrer Umwelt in Kontakt treten können.

Außerdem kann das Theaterspielen in einer Gruppe durchaus therapeutische Effekte haben, erklärt die Regisseurin: "Sich zeigen, sich zumuten, sich zurücknehmen, Bedürfnisse äußern, Emotionen wahrnehmen, Frustrationstoleranz aushalten oder nicht, Regulation von Nähe und Distanz – das sind alles Schritte zur wirksamen Selbstermächtigung". Rückblickend würde die Regisseurin aber sagen, dass "Verbindlichkeit zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen die wichtigsten Erfahrungen für alle waren".

Theaterpädagogin und Regisseurin Julia Gratzer

© Lex Karelly

Max Frisch auf der Bühne im Gefängnis Karlau

Das Stück selbst sollte zwei "Parameter" erfüllen: Einerseits sollte es aufgrund der Projektdauer nicht zu lang sein. Andererseits sollte es "mit der Lebensrealität der Spieler zu tun haben". So fiel die Wahl auf "Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre" von Max Frisch. Gespickt wurde das Drama mit biografischen Elementen der Insassen. "Die Parabel von Max Frisch ist brandaktuell. Wir wissen viel zu wenig über einen großen Teil unserer Mitbürger:innen – nicht nur im Gefängnis", so Gratzer.

Missen möchte die Regisseurin ihre neugewonnenen Erfahrungen nicht. "Es ist mir wichtig, mich selbst immer wieder in die Fremdheit zu begeben, denn unbekannte Orte und Menschen machen mir – weil ich ihre Lebensrealität nicht kenne – schon manchmal Angst. Und meinen Ängsten und damit oft verbundenen Vorurteilen und Ignoranz immer wieder aufs Neue gegenüberzutreten, verändert mich".

Alle Infos

  • Premiere am 18. April um 17.00 Uhr
  • Weitere Aufführungen am 19., 23. und 24. April
  • Geschlossene Aufführung am 29. April. Jeweils 17.00 Uhr
  • Voranmeldung bis 8. April unter [email protected]

Hoffnung auf Veränderung

Die Regisseurin hofft zudem, dass die Theatererfahrung die Spielenden auch ein Stück weiter bewegt hat. "Ein Spieler meinte einmal: 'Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich hier beim Theaterspielen mir selbst begegnen werde.' Ein anderer Spieler hat begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen und hat eine Arbeitsstelle in der Anstalt angenommen." Gratzer hüte sich davor, leichtfertig Kausalitäten ausmachen zu wollen. Aber die Rückmeldungen der Insassen, die am Projekt teilnehmen, würden sie durchaus positiv stimmen: "Es war schön, von einem Schauspieler zu hören, dass er stolz ist, ein Teil dieser Gruppe zu sein, und manchmal so etwas wie Geborgenheit fühlen kann".

Gratzer wollte ihnen von Anfang an eine öffentliche Aufführung ermöglichen: "Wie weit wir auf diesen Weg kommen würden, war nicht klar. Umso schöner, dass wir nun mit Stolz sagen können: Gitter auf, für das erste Publikum in der Justizanstalt-Karlau!"

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