© Marcella Ruiz Cruz

Theater Wien

"Cypressenburg": Nestroy-Posse als Musical

Nestroy hat wieder Saison. Nicht immer ist er dabei allerdings wiederzuerkennen. Kurz nach Yasmos Rap-Version von "Häuptling Abendwind" im Rabenhof ist "Der Talisman" im Kasino am Schwarzenbergplatz auf die Bühne gekommen - in einer Bearbeitung von Autorin Golda Barton und dem Kollektiv MamaNoSing. "Wir haben die Story durch den Fleischwolf gedreht", hatte Regisseurin Isabelle Redfern angekündigt. Am Freitag wurde "Cypressenburg" uraufgeführt - als bejubelter Insider-Spaß.

Farbenfroher Theaterraum

Farbenfroh war nicht nur das Neon-Logo, das den Theaterraum, der demnächst für eine Generalüberholung der Spielstätte geschlossen wird, als "Cypress Studios", die Produktionshalle der Filmfirma Cypressenburg, ausweist. Auch Bühne (überraschenderweise mit einer Plastikpalme statt einer Zypresse), Kostüme und Spielweise zeigen von der ersten Minute an: Heute wird's knallig. Die Übermalung durch ein Ensemble von People of Color bevorzugt kräftigen Farbenauftrag, wobei der rund 110-minütige pausenlose Abend starke Elemente von Singspiel, ja Musical enthält.

"Cypressenburg" ist mehr Parodie als Posse und bringt im geballten Ansprechen aller In-Themen der Wokeness auch einen Anstrich an Selbstironie ins Spiel. Das ist gut so, denn die zentralen Botschaften zu Cultural appropriation, Rassismus, Blackfacing und Whitewashing werden meist direkt ins Publikum gesprochen, während sich die neu aufgesetzte Handlung ohne Augenzwinkern kaum spielen lässt.

© Marcella Ruiz Cruz

Golda Bartons moderne Bearbeitungen

Golda Barton, die in Berlin schon Tschechows "Drei Schwestern" als "Sistas!" überschrieben hat und sich im September Gorkis "Sommergäste" vornimmt ("Datscha"), hat aus den beiden Rothaarigen Titus Feuerfuchs und Salome Pockerl, die sich gegen Vorurteile zu Wehr setzen müssen, den jungen Möchtegern-Arthouse-Filmemacher Titus Fox (gespielt von Moses Leo), der einen Film über Diskriminierung drehen möchte, und die junge Starschauspielerin Sal O ́Myé (Safira Robens) gemacht, die gerade als schwarze, rothaarige Hauptdarstellerin einer "Meerjungfrau"-Neuverfilmung für Furore sorgt.

Das ist natürlich alles ebenso an den (roten) Haaren herbeigezogen wie der Running Gag der Angst der Blonden vor dem "Großen Austausch" und die Handlung rund um Titus' Onkel Carl Carl ("Sag CC zu mir!") und Ignatia, die Ururenkelin des Firmengründers, die sich gegen die Übernahme der Filmfirmenleitung durch einen Schweizer Schlagersänger wehren. Ernest Allan Hausmann und Zeynep Buyraç spielen dies mit großer Lust an der Übertreibung, zwischendurch beweist Ming als One-Person-Filmorchester, dass sie den "Donauwalzer" spielen und Schwyzerdütsch imitieren kann.

Großer Applaus am Ende

Weil dem ganzen Spaß oft das Tempo fehlt, ist er über manche Strecken bloß halblustig. Doch die Gesangs- und Tanzeinlagen machen es wieder wett. Die Choreografien von Ute Pliestermann sind pfiffig und gut einstudiert, die Songs recht witzig. Eine Straffung des Abends wäre freilich kein Fehler.

Am Ende dreht Titus Fox doch noch seinen Film. Es ist eine Mischung aus "Hannibal zieht über die Alpen" und "The Sound of Music". Eine Einreichung für die "Goldene Tomate" scheint dem Streifen sicher. Großer Applaus der Fans am Ende. Die letzten Tage der Burgtheater-Direktion von Martin Kušej sind angebrochen. Nur noch zwei Premieren. Dann übernimmt ein Schweizer ...

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

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