"Häuptling Abendwind": Yasmo und Roman Gregory

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Theater Wien

"Häuptling Abendwind" eroberte das Publikum

Dieser "Häuptling Abendwind" ist kein sanftes Lüfterl: Ab der ersten Sekunde ihres Intro-Raps macht Musikerin und Poetry Slammerin Yasmin Hafedh aka Yasmo im Wiener Rabenhof deutlich, dass ihr Zugriff auf das 1862 uraufgeführte Nestroy-Stück ein radikaler ist. 

Der mit Pause zweistündige Abend ist mehr Musikperformance als Theateraufführung und trifft doch die Essenz der Vorlage. Das Premierenpublikum am Mittwoch wurde vor allem vor der Pause vom Abendwind mitgerissen.

Roman Gregory als "Häuptling Abendwind" 

Es ist eine Unternehmung ganz nach dem Erfolgsrezept des Gemeindebautheaters der Herzen, und es verwundert, wie wenig Vorstellungen davon vor der Sommerpause angesetzt sind. Yasmo entdeckt in ihrer Bearbeitung, wie viele heutige Themen in der Geschichte der zwei kannibalischen Inselvölker stecken, denen die Liebe durch den Magen geht und alles Fremde sauer aufstößt. Die Häuptlinge Abendwind und Biberhahn sehen sich gezwungen, sich gegen die sich ankündigende Zivilisation zu verbünden, die ihnen lieb gewordene Traditionen wie den Verzehr von Menschenfleisch ebenso zu nehmen droht wie ihre Ressourcen an frischem Trinkwasser und glänzendem Gold.

"I wü, dass es ist, wias woar", singt Roman Gregory als Titelheld herzzerreißend und formuliert damit das politische Glaubensbekenntnis aller Ewiggestrigen. Dass er sich im gleichen Refrain als "Freund der Menschen" deklariert, entlarvt sich durch den kulinarischen Zusammenhang ("I wü ka Gemüse / I wü ka Obst"). Alles ist schon bei Nestroy angelegt - es muss bloß ein wenig nachgeschärft werden. 

Vor allem bei den Kindern der Häuptlinge hat Yasmo den Schleifstein gewetzt. Atala und Artur sind als Influencer aktiv und mit der aus Ghana stammenden Musikerin Bex und dem Schlagzeuger Raphael Rameis, der gemeinsam mit Yasmo auch die Musik beigesteuert hat, auch deckend besetzt. Weißes, männliches Überlegenheitsgehabe trifft auf die Emanzipationsversuche einer jungen Schwarzen Frau. Das kann nicht gut gehen!

Jubel bei Premiere im Rabenhof

Für das Geschehen, das Alina und Fekry Helal in einer Art gekachelter Spa-Landschaft ansiedeln, die die von Abendwind beherrschte Insel der Seligen darstellen soll, ist der Konflikt der Jungen deutlich wichtiger als jener der Alten: Häuptling Abendwind versteht sich mit Häuptling Biberhahn von der Nachbarinsel (den Christian Strasser mit nasalem Einschlag als bürgerliches Gegengewicht zu seinem proletarischer angelegten Kollegen gibt) besser als man erwarten dürfte, haben die beiden doch die Gattin des jeweils anderen verspeist. Ans Eingemachte geht es erst, als Häuptlingstochter Atala spitz bekommt, dass sie nicht nur verheiratet, sondern auch verschaukelt werden soll. Am Ende ist nicht mehr nur die Sprache die passende Waffe fürs Empowerment.

Und Yasmo? Sie hat sich zwei fulminante, den Roten Faden vorgebende Raps, aber keine richtige Rolle auf den Leib geschrieben. Als das feministische Magazin "an.schläge" lesende Beobachterin behält sie das Geschehen im Auge und wird für gelegentliche Einwürfe angespielt - eine wenig überzeugende Lösung, die mit der Wucht und dem Biss ihrer Bearbeitung nicht Schritt hält. Am Ende verspricht Atala: "Werd Verantwortung übernehmen / Für alle die hier leben, / Auf der Insel der Seligen herrschen neue Regeln". Jubel und Applaus. In der Republik Rabenhof hat der Wahlkampf begonnen. Oder der Regimewechsel.

(Wolfgang Huber-Lang/APA)

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