Keeping up with the Penthesileas im Kosmos Theater

© Bettina Frenzel

Theater Wien

Penthesilea-Mythos und Kardashians im Theater

Wenn ein Bühnenstück als "quasimythologische Remythifizierung" beworben mit, kann man sich eingangs vielleicht nicht viel darunter vorstellen. Aber egal, was man sich von "Keeping up with the Penthesileas" erwartet – es ist sogar noch besser.

Am Dienstag feierte die Eigenproduktion aus der Feder von Thomas Köck und Mateja Meded Premiere und österreichische Erstaufführung im Kosmos Theater, am Regiestuhl Platz nahm dafür Multitalent Anna Marboe, unter anderem auch als Musikerin und Popfest 2023-Kuratorin bekannt. 

Emanzipation? 

Das Leben ist ein Schaukampf, zumindest wenn man Kardashian oder Jenner heißt und im Licht der TV-Scheinwerfer um die größtmögliche Aufmerksamkeit des Publikums buhlt. Auch Penthesilea und ihre Amazonen aus den antiken Sagen sind im Kampf erprobt, müssen sie am Schlachtfeld doch ihre Männer rekrutieren. Und so steht im Kosmos Theater statt einer Bühne ein Boxring im Zentrum, den die Darsteller:innen im hautengen Spandex betreten.

Das gut zweistündige Mash-Up trägt den Untertitel: "From white feminism to neoliberal feminism". Es geht auf eine Reise von einem Feminismus zum nächsten, die sowohl turbulent als auch sehr kurzweilig und amüsant daherkommt, wenn Figuren wie "Kim Penthesilea", "Kris Otrera" (the one and only "Momager"!) oder "Khloe Prothoe" in den Ring steigen, um zu beweisen, dass es zur Emanzipation weder Männer braucht noch ein Gespür für die Grenzen des Geschmacks oder der eigenen Privatsphäre ... Man schulde es schließlich den Fans, "alles" zu zeigen!

"You're doing amazing, Sweetie!"

Niemand ist so berühmt für's Berühmtsein wie sie: Das Imperium hinter dem bekannten TV-Format "Keeping Up with the Kardashians" rund um Kris, Kim, Kylie und Co. hat Thomas Köck und Mateja Meded dazu inspiriert, über die Herrschaft von Penthesilea mit ihren Amazonen nachzudenken: Während die Männer dort nur zur Reproduktion geduldet und danach schnell aussortiert wurden, sehen die beiden Parallelen zu Kris Jenner und ihren Töchtern (achja, Robert gibt es auch noch ...), die "über das Reich der Selbstvermarktung und des Product Placements" herrschen, während deren Männer "auch hier nur als Baby Daddys im Hintergrund der perfekt inszenierten Ikonen" taugen. Sprich: Die Amazonen griffen einst zu den Waffen des Patriarchats – und basically machen die Kardashians es ebenso, indem sie sich und ihre feminine Perfektion non-stop inszenieren und dabei Unsummen verdienen. 

Im Zentrum des Stücks steht also die Frage: "Wie viel Pink- und Greenwashing verträgt der Feminismus" und wo hört Solidarität von und für Frauen auf? Noch dazu, wenn der überzeichnete Hyperfeminismus so wunderbar dazu dient, Produkte bzw. die eigene "Brand" teuer zu verkaufen. 

Die Übergänge zu Motiven aus Heinrich von Kleists "Penthesilea" sind fließend, mal auf Englisch, mal auf Deutsch, die Amazonen/Kardashians sprechen dabei bevorzugt im Chor und stellen sich auch schon mal die Frage, was andere Göttinnen - "all diese out of nowhere warriors" - wie Beyoncé, Pink oder Cindy Crawford "zu starken, unabhängigen Godesses" macht. Wo liegt die Grenze zwischen erfolgreichen Selfmade-Women und gnadenloser Ausbeutung der Follower:innenschaft? Darf man über Mental Health reden und gleichzeitig "Vagina Drops" verkaufen, damit weibliche Geschlechtsorgane "nicht mehr traurig" sein müssen? 

Manchmal versuchen sogar die fauchenden Suffragetten (großartig!), die Amazonen-Kardashians zur Räson zu bringen und ihnen die wirklich großen Errungenschaften in Erinnerung zu rufen, die sie einst für die Rechte der Frauen ermöglichten. Kris, Kim und Co. zeigen sich davon aber eher wenig beeindruckt. 

Lauter Applaus für hervorragendes Ensemble

Das Zusammenspiel der sieben Darsteller:innen Pilar Borower, Nina Fog, Edwarda Gurrola, Martin Hemmer, Hannah Joe Huberty, Isabella Knöll und Christoph Radakovits ist von Minute Eins weg dynamisch und mitreißend: Da wird gesungen, getanzt, sich geprügelt, geweint und alles dazwischen. Temporeich und mit viel Humor und Ironie schlüpfen sie in ihre berühmten Rollen, insbesondere Knöll gibt eine so vortreffliche Momager-Amazone, dass man sich am liebsten selbst von ihr das Leben vorschreiben lassen würde.

Der turbulente Abend endet mit verdient lautem Applaus. Am Ende werden die großen Fragen nicht beantwortet, wir wissen nur, dass die Kämpfe für Frauenrechte und Feminismus noch lange nicht vorbei sind, wir alle noch im Ring stehen. Und natürlich: Der Teufel arbeitet hart, aber Kris Jenner arbeitet härter. 

(APA / Sonja Harter / events.at / Amina Beganovic)

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