Milo Rau (Zentrum) bei der Pressekonferenz der Wiener Festwochen

© APA - Austria Presse Agentur

Was ist los in Wien

Antisemitismus-Debatte um Wiener Festwochen

Antisemitismus-Debatte um die Wiener Festwochen, die in zwei Monaten eröffnet werden: Zwei prominente Gäste, die französische Schriftstellerin Annie Ernaux und der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, wird ein problematisches Verhältnis zu Israel bzw. dem Terrorakt vom 7. Oktober vorgeworfen. 

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) fordert deren Ausladung, wie der "Kurier" am Freitag online berichtet. Festwochen-Intendant Milo Rau weist die Vorwürfe zurück.

Wiener Festwochen starten am 17. Mai

Die Wiener Festwochen rufen ab 17. Mai unter ihrem neuen Intendanten Rau die Freie Republik Wien aus. Ernaux und Varoufakis wurden als Mitglieder eines "Rats der Republik", einer Art fiktiven Parlaments, ausgewählt. Literaturnobelpreisträgerin Ernaux unterstützt die Israelboykott-Kampagne BDS, ist aber kein Mitglied. Die Organisation spricht sich in Teilen gegen das Existenzrecht Israels aus. Ökonom Varoufakis hat eine Petition für den Ausschluss Israels von der Venedig-Biennale unterschrieben, im Text wird Israel "Völkermord" vorgeworfen, der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober dagegen völlig verschwiegen.

Sobotka fand in einem Statement gegenüber dem "Kurier" scharfe Worte: "Für mich ist es unerträglich, dass unter dem Vorwand der Kunst- und Meinungsfreiheit, so wie das schon bei der documenta in Kassel passiert ist, der Antisemitismus über die Hintertür zu uns ins Land getragen wird." Die Auftritte von Ernaux und Varoufakis seien "skandalös", befindet Sobotka. Es sei "unsere historische Verantwortung nicht zuzulassen, dass Menschen, die einen derartig verzerrten moralischen Kompass haben, bei einer der größten Kulturveranstaltungen des Landes eine Bühne bekommen". Sollten die Einladungen aufrecht bleiben, müsse man über Rückzahlung der Förderung reden, forderte Ex-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner gegenüber oe24.at.

"Man 'entleert' Begriff des Antisemitismus'"

Ernaux aufgrund ihrer Kritik gewisser Aspekte der israelischen Politik als "Antisemitin" zu bezeichnen, sei "so falsch und absurd", als würde man sie aufgrund ihrer Kritik der iranischen Regierung als "Islamhasserin" oder aufgrund der Kritik ihrer eigenen Regierung als "frankophob" bezeichnen, schrieb Rau in einem Offenen Brief. "Mit solchen Aktionen entleert man den Begriff des Antisemitismus', der ein reales Problem darstellt, das es gemeinsam zu bekämpfen gilt. Ernaux geht es bei all ihrer literarischen und politischen Arbeit um die Anklage von Gewalt und ein gewaltloses Zusammenleben."

Zu Varoufakis äußerte sich Rau in einem Interview mit dem "Standard" (Freitagausgabe). Im "Rat der Republik" sollen Mitglieder aus allen politischen Lagern sitzen. "Ich oder das Team der Festwochen sind mit keinem der Mitglieder des Rats in allen Punkten einverstanden. Und so bin ich etwa mit Varoufakis in der Frage dieser Petition nicht einverstanden." Aber sei es illegal oder antisemitisch, sie zu unterschreiben? "Nein", so Rau. "Das Prinzip der Demokratie und Meinungsfreiheit muss bestehen bleiben. Sonst können wir gar nicht mehr miteinander diskutieren."

Currentzis-Auftritt abgesagt

Für Kontroversen hatte bereits die Programmierung des Dirigenten Teodor Currentzis gesorgt, dem mangelnde Distanzierung vom Kreml vorgeworfen wird. Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv verwehrte sich dagegen, dass ihr Auftritt mit dem Requiem "Babyn Yar" gemeinsam mit dem Currentzis-Dirigat von Benjamin Brittens "War Requiem" beworben wurde. 

Aus Respekt ihres Wunsches, "aktuell nicht in einen inhaltlichen Kontext mit Currentzis gestellt zu werden", sagten die Wiener Festwochen daraufhin den Currentzis-Auftritt ab.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare