© APA/GEORG HOCHMUTH

Theater Österreich

"Heldenplatz": Thomas Bernhards letztes Stück

Genau am 93. Geburtstag von Thomas Bernhard haben Regisseur Frank Castorf und Dramaturg Sebastian Huber Freitagnachmittag am Lusterboden des Burgtheaters Auskunft über die Neuinszenierung des Stückes "Heldenplatz" gegeben, die am 17. Februar im Haus am Ring Premiere haben wird. "Ich bin nicht für den Durchschnitt zuständig!", versicherte Castorf - und stellte dies im Rahmen des Pressegesprächs in langen Monologen unter Beweis.

Text mit Überarbeitungen

Als Castorf den Stückvorschlag gemacht habe, "waren wir sofort begeistert", erzählte Huber und nannte dafür drei Gründe: Man könne sich kaum jemanden anderen für die Aufgabe vorstellen, über 35 Jahre nach der Uraufführung dieses Stück an diesem Ort zu machen, zweitens passe das Stück sehr gut in die Programmatik des Spielplans der aktuellen Saison. "Wie sehr sich die Thematik von Rechtsextremismus und Antisemitismus zuspitzen würde, konnte man damals noch nicht ahnen." Drittens könne man sich bei Castorf sicher sein, er werde sich dem Stück von ganz anderer Seite annähern als Claus Peymann seinerzeit bei der Uraufführung.

Das wird wohl mit Sicherheit eingelöst, wiewohl Huber versicherte: "Der überwiegende Teil des Textes ist von Thomas Bernhard." Anderseits werden aber auch Texte von US-Autor Thomas Wolfe (1900-1938) und des späteren US-Präsidenten John F. Kennedy eingearbeitet, die beide in den 1930er-Jahren durch Deutschland gereist sind. "Es gibt ständig Umwege, die vielleicht irgendwann zu einem Ziel führen", beschrieb Castorf den Abend. "Es gibt hoffentlich immer wieder Momente, wo man sich fragt: Wo bin ich denn?"

"In einer typischen Castorf-Inszenierung", könnte jedenfalls als Antwort passen, fasst man die Bruchstücke, die sich der Regisseur zu seiner konkreten Arbeit entlocken ließ, zusammen. Seinem sechsköpfigen Ensemble sei nicht einfach, jedenfalls nicht ausschließlich, jeweils eine konkrete Rolle zugeteilt. "Jeder kann eigentlich alles sein." Er sei Demokrat, weswegen er nicht einsehe, dass bei Menschen mit gleichem Spaß und Begeisterung an der Arbeit, nur "einer die ganzen Texte hat". Eine dauerbügelnde Haushälterin Zittel und einen monologisierender Professor Schuster werde es in diesem "Heldenplatz" nicht geben. Überhaupt ist der Regisseur gegenüber manchen Haltungen und Äußerungen der Figuren skeptisch: "Man könnte das ganze Stück heute auch antisemitisch lesen."

Proben laufen noch auf Hochtouren

Der im Stück gemachte Vergleich von 1938 mit 1988 sei etwa "eine einzige Provokation, ein Versuch, wie man sich vom Bösesten befreien kann", meinte der 72-Jährige, der seine Hauptaufgabe als Regisseur so definierte: "Ich muss den seelischen Sound dieser Menschen finden. Das kann ich gut, denn ich musste in der DDR immer schneller als der Staat sein. Dann konnten eine Inszenierung vor ihrem Verbot wenigstens 500 Leute sehen." "Angstlosigkeit allen gegenüber" sei das, was ihn auszeichne: "Mich interessiert kein Bildungsauftrag, weder ein politischer noch ein literarischer."

Castorf erweitert den "Heldenplatz" metaphorisch wie geographisch: "Hinter der Folie des Auftragswerkes ist etwas anderes, etwas Größeres - das ist die Welt." In seiner Inszenierung steht dafür New York, das plötzlich traumartig aufblitzt. "Natürlich fangen wir an mit Thomas Bernhard, er ist ja der Sinngeber der Inszenierung - aber später zweifelt man an seiner Sinneswahrnehmung. Es ist ein Hin und Her zwischen Trash und totaler Ernsthaftigkeit." Es werde komplex, vielleicht aber auch chaotisch. "Manchmal verliert man den Faden." Manchmal werde es seinem Ensemble aber auch zu bieder, erzählte er von den Proben. "Dann sagen sie mir: Frank, du wirst uns aber jetzt nicht alt werden? Da fehlt uns ein bisschen Anarchie! Dann denke ich manchmal: Stimmt."

Eine Woche wird noch geprobt. Da kann noch viel passieren. Vielleicht bleibt es bei vier Stunden, vielleicht auch nicht. "Gehen Sie aber nicht vor der Pause", legt Castorf seinem Publikum ans Herz. Und wenn es wieder ein Skandal wird? So etwas könne man nicht planen - nur genießen, legt der Regisseur mit seiner Erinnerung an einen 15-minütigen Buh-Orkan anlässlich seines "Ring des Nibelungen" in Bayreuth nahe: "Das war wunderschön. Ich hab noch nie so leidenschaftliche ältere Menschen gesehen. Ich hab mich gefühlt wie Mick Jagger."

>> Weitere spannende Stücke im Februar.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare