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Was ist los in Wien

"Unter Wien": In die Wiener Unterwelt eintauchen

In Brünn führen sie zu einem Alchemisten, in Budapest zu frisch gemachten Betten (die hoffentlich nie belegt sein werden) und in Berlin durch Ruinen aus Beton und Stahl: Es sind Orte unter der Stadt, die nicht jeder und jede zu Gesicht bekommt. Und genau das macht die Sache so spannend: Diese "Unterwelten" sind zeitgeschichtliche Artefakte, die besondere Momente der Stadtgeschichte wiedergeben.

Ob Luftschutzbunker, Versorgungstunnel oder Kellergewölbe: Auch Wien ist durchzogen von geheimnisvollen unterirdischen Orten. Und es gibt wohl nur wenige Menschen, die sich mit dieser Materie so gut auskennen – ohne Geschichte studiert zu haben, wohlgemerkt! – wie Fotograf Lukas Arnold. Der 25-Jährige beschäftigt sich seit sieben Jahren mit der Thematik und hat nun seinen Lebenstraum erfüllt und den Verein "Unter Wien" gemeinsam mit seinem Kollegen Clemens Arzberger gegründet.

Einzigartige Erlebnisse im Untergrund

Dieser ist laut eigener Beschreibung eine "Interessengemeinschaft zur Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauten". Im April ging die erste öffentliche Tour ("Tour U") an den Start: "In einem originalen Luftschutzkeller aus dem Zweiten Weltkrieg lassen wir über 2000 Jahre Stadtgeschichte Revue passieren", so Arnold im Gespräch mit events.at. "Unser Ziel ist es, behutsam mit dem Thema des Zweiten Weltkriegs umzugehen und den Keller als Mahnmal zu betrachten. Wir möchten den Leuten bewusst machen, dass dies ein Teil unserer Geschichte ist, an den erinnert werden muss".

Nicht zu verwechseln ist das Konzept mit der "3. Mann Tour", die schon seit vielen Jahren in Wien angeboten wird und auch in den Untergrund, sprich in den Kanal, führt. Wie schon der Name verrät, nimmt diese Führung Bezug auf den Filmklassiker "Der Dritte Mann" und dessen Drehorte in der Stadt. Historische Gegebenheiten des damaligen Wiens und Filmfakten sind die Formel der "3. Mann Tour".

"Unter Wien" geht jedoch andere Wege, buchstäblich. Etwas zu erschaffen, das es so noch nicht gab, ist ein erklärtes Ziel des Vereins. Dementsprechend borgte sich Obmann Arnold unter anderem die Expertise der Berliner Kolleg:innen, welche seit 25 Jahren die "Berliner Unterwelten" betreiben jedoch nur, wenn es um die Vereinsstruktur selbst geht: "Es geht nicht nur darum, in einen Keller zu gehen und dort ein bisschen was zu erzählen, sondern um einzigartige Erlebnisse".

Vereinsgründer Lukas Arnold bei der Arbeit im Untergrund.

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"Unter Wien": Sensibler Umgang mit Zeitgeschichte

Und für diese reist Arnold schon mal durch Österreich, um etwa Alltagsgegenstände aus dem Zweiten Weltkrieg zu beschaffen, die dem Keller sein authentisches Flair geben sollen: "Keine Nazi-Relikte, sondern Dinge, die die Menschen damals zu Hause und im Luftschutzkeller hatten", betont der Fotograf. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Wiener Führungen sind die Berichte von Zeitzeug:innen. "Besonders zwei Damen, 90 und 94 Jahre, sind mir in Erinnerung geblieben. Während des Zweiten Weltkriegs waren die beiden noch Kinder. Es hat ihnen so gutgetan, jemandem ihre Geschichte und Erfahrungen erzählen zu können. Und ich teile ihre Meinung, wenn sie sagen: ‘Wenn man nicht darüber redet, kommt es wieder’", so Arnold.

Obwohl der Bildungsanspruch bei den Führungen klar im Vordergrund steht, weiß der Fotograf auch, dass die Besucher:innen ein bisschen Nervenkitzel brauchen. Deshalb sind die Keller auch nicht taghell ausgeleuchtet. Außerdem gibt sich das Team Mühe, mit Bildern und Videoaufnahmen anderer Räumlichkeiten die Geschichte greifbar zu machen: "Wir haben auch den Wienerlied-Sänger Hans Ecker an Bord, mit dem wir in der Innenstadt ein Video passend zur Tour gedreht haben".

Thematische und historische Vielfalt

Die zweite Führung "Tour M" startet am 26. Mai und führt ebenfalls durch Räumlichkeiten, die im Zweiten Weltkrieg genutzt wurden – ein Mutter-Kind-Bunker. Und obwohl diese historische Zeit wohl eine der prägendsten für Wien und ganz Österreich war, wünscht sich Arnold Vielfalt in seinen Führungen: "Unser Ziel ist es, in Zukunft eine Vielzahl von Anlagen aus verschiedenen Zeiten, Epochen und Themenbereichen zugänglich zu machen". Der Vereinsgründer ist sich sicher – die Wiener Unterwelten haben Potenzial, es gibt noch genug zu entdecken: "Zum Beispiel kenne ich ein unterirdisches Theater, alte Wasserleitungen aus dem 19. Jahrhundert oder Bunkeranlagen aus der Zeit des Kalten Krieges".

Vorerst will sich Arnold auf seine zwei Führungen und die Etablierung des Vereins konzentrieren: "Wir möchten nicht, dass die Keller oder Bunker zu Abenteuerspielplätzen werden. Für die Besucher:innen soll es trotzdem kein trockenes Erlebnis sein, sondern einen Mehrwert bieten". Das Feedback nach der Tour-Premiere habe dies auch schon bestätigt: "Die Gruppe hat vor der Führung gefragt, in wie viele Keller wir gehen werden. Als sie hörten, dass es nur einer ist, waren sie skeptisch. Doch danach haben sie gemeint, dass sie sich schon auf die nächsten Termine freuen".

Unter Wien: Infos zu den Führungen

  • Tour U: Mystische Wiener Unterwelt
    • Dauer der Führung: ca. 90min.
    • Teilnehmeranzahl: 20
    • Ticketbuchung: Die Ticketbuchung ist ausschließlich online und mit Kartenzahlung möglich, es können vor Ort keine Tickets erworben werden.
      Treffpunkt: 1090 Wien, Arne-Karlsson-Park beim Kinderspielplatz

 

  • Tour M: Der Mutter-Kind-Bunker
    • Ab 26. Mai
    • Dauer der Führung: ca. 90min.
    • Teilnehmeranzahl: 15
    • Ticketbuchung: Die Ticketbuchung ist ausschließlich online und mit Kartenzahlung möglich, es können vor Ort keine Tickets erworben werden.
    • Treffpunkt: 1160 Wien, Schuhmeierplatz beim Kinderspielplatz

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