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Konzerte

Die Ärzte live in Wien: "Das Leben ist ne' Party"

Es kommt nicht oft vor, dass man dieselbe Band innerhalb von zwei Wochen gleich zwei Mal zu sehen bekommt. Die Ärzte haben es in diesem Sommer möglich gemacht. Nur wenige Tage nach ihrem Auftritt am diesjährigen Frequency Festival (wohlgemerkt gab es sie im Juni auch am Nova Rock Festival zu sehen), kündigten die Berliner kurzfristig ihre "Herbst des Lebens"-Tournee an, die in Wien am Dienstag ihren Auftakt feierte. Das zweite Konzert folgt am Mittwoch.

Die Tour wurde vor etwa zwei Wochen verkündet, dem Erfolg tat dies keinen Abbruch, der Run auf die Tickets war entsprechend (wie man auch am Dienstag anhand der vielen Fans sah, die mit "Suche Tickets!"-Schildern von der Arena noch ihr Glück versuchten).

Die Ärzte brachten stabiles Wetter und Wiener Dialekt

Zwar gibt es in der Open-Air-Arena nur Platz für rund 3.000 Leute, stimmungsmäßig hätte es aber wohl kaum eine bessere Location werden können. Das befand auch das Wetter, der angesagte Regen hielt sich gnädigerweise zurück.

Die gute Laune regierte ebenso auf der Bühne. Farin Urlaub begrüßte die Besucher:innen mit einem fröhlichen "Herzlichen Glückwunsch, ihr habt Tickets bekommen!" In gewohnter Manier plauderten Die Ärzte ausgiebig miteinander und mit dem Publikum, sinnierten über das Älterwerden und wagten so manchen Versuch, den Wiener Dialekt nachzuahmen (Chapeau an dieser Stelle an Farin Urlaub für die korrekte Benutzung des Ausdrucks "a schöne Leich!").

Im Gegensatz zum Frequency war das Publikum hier deutlich im Ü-30-Bereich, manche Fans hatten sogar ihre Kinder mitgebracht. Sowohl Musiker als auch Fans bewiesen jedoch einhellig, dass vorerst keiner daran denkt, sich so bald zur Ruhe zu setzen. Die Ärzte feierten in der Arena eine Location, die ihnen im Laufe der Jahrzehnte besonders an Herz gewachsen sei ein immerhin dreistündiges Wiedersehen, mit zahlreichen Songs der ersten Stunde aus ihrem großen Fundus.

Tiefer Griff in die Songkiste

Der schwarze Vorhang vor der Bühne fiel um Punkt 19.30 Uhr, Farin Urlaub, Bela B und Rodrigo González legten sofort mit der Live-Premiere von "Wer verliert hat schon verloren" und dem "Lied von Scheitern" los. Der breite Schaffenskosmos der Ärzte wurde an diesem Abend großräumig abgedeckt, die Reise ging von den 80er- und 90er-Jahren über die Nuller- und Zehnerjahre bis hin zum 14. Studioalbum "Dunkel", das 2021 veröffentlicht wurde. Die Wiener Fans bekamen also viele Lieder serviert, die live nicht oft zu hören sind (oder noch nie zu hören waren). Farin Urlaub nannte es eine "ausgefallenen Setlist", für die sie immerhin fünf Tage geprobt hätten. "Tamagochi", "Geld", "Mein Baby war beim Frisör", "Angeber", "Ist das noch Punkrock", "Quark", "Der Misanthrop", "Langweilig" ... die Liste an Ärzte-Schätzen war lang.

Besonderes stimmungsvolle Highlights waren "Sohn der Leere" aus der Feder von Bassist Rod, der dafür mit Farin Urlaub Instrument tauschte (und an diesem Abend eigentlich fast jedes weitere Instrument spielte, wenn er sich nicht gerade ein Getränk aus dem umfunktionierten Amp-Kühlschrank holte). Auch "Leben vor dem Tod" gab es als Live-Premiere aus dem Album "Hell" (2020) zu hören, gespielt von Farin Urlaub alleine mit Gitarre auf der Bühne. Weiteres Fan-Zuckerl: Bela B, anfangs ebenfalls solo mit Gitarre auf der Bühne, der die Tragik-Ballade "Der Graf" zum Besten gab.

"Das will doch keiner hören!"

Gegen Ende des Sets wurden noch die Mitsing-Hymnen ausgepackt, neben "Anastasia" folgten "Unrockbar", "Himmelblau", "Junge" oder "Alles ist besser". Vom jüngsten Longplayer "Dunkel" wurden neben der gleichnamigen Single auch "Doof", "Noise" und erstmals "Einschlag" live gespielt.

Nach einigen La-Olas und einem spontanen "Last-Christmas-Scooter-White-Stripes"-Mash-Up bildete sich in der Menge schlussendlich eine kleine, aber feine Wall Of Death bei der Anti-Nazi-Hymne "Schrei nach Liebe". Und zu guter Letzt gab es sogar eine Instrumentalversion des Klassikers "Geschwisterliebe" zu hören – bei dem Die Ärzte jedoch dem Publikum das Singen überließen. In Deutschland darf das Lied mit dem stark expliziten Text seit Ende der 1980er nicht mehr gespielt werden. Die Wiener Fans ließen sich um die laut gegrölten Lyrics nicht lange bitten, den anwesenden Kindern auf den Schultern ihrer Eltern sollte einstweilen der Gehörschutz fest auf die Ohren gedrückt werden, baten Farin und Bela.

Apropos laut: Der Lärmpegel aus der Arena war wohl deutlich bis zu den Buwog-Gebäuden "The Marks" zu hören. "Die Häuser standen beim letzten Mal nicht da", kommentierten Die Ärzte die benachbarten Wohntürme – und verrieten hocherfreut: "Die Leute haben schon beim Soundcheck die Bullen geholt – endlich mal wieder!" Sie hätten sich gefühlt wie damals in den 80er-Jahren, schwelgte die Band in Erinnerungen.

Verabschiedet wurden die Fans nach drei Stunden schließlich mit einem zackigen "Dauerwelle vs. Minipli" und einem A-Capella von "Gute Nacht". Am Ende des Abends waren sich die 3.000 Konzertbesucher:innen wohl einig: Hip hip hurra, die Ärzte waren spontan da und alles ist besser, als es gestern war. Bzw. wird sich das zeigen, denn weiter geht's am Mittwoch, nochmals in der Arena.

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