KONZERT: PINK

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Konzerte

Hype um Stadionshows: Bleibt noch Geld für andere Konzerte?

Die Tourneen von Taylor Swift und Coldplay brechen Rekorde, 2024 gastieren beide Acts mehrmals im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Heuer haben Pink und Rammstein Doppelkonzerte in Österreich abgehalten. Werden Superstars auch in Zukunft die großen Arenen füllen? Davon ist Peter Tschmuck, Musikwirtschaftsforscher an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, überzeugt. Gefahr sieht der Professor für die künstlerische Mittelschicht, die nicht mehr zu ihrem Publikum kommen könne.

Bleiben die Kleinen auf der Strecke?

"Wie viele Konzertkarten kann man sich leisten pro Jahr?", fragte Tschmuck im Gespräch mit der APA. "Man zahlt einen unverschämt hohen Betrag für einen Superstar, aber auf die kleineren Konzerte geht man dann nicht mehr" – darin verortet er ein "Riesen-Problem".

Die für den Künstleraufbau zuständigen Leute, "die kleinere bis mittlere Locations brauchen", würden gewaltig unter der Inflation und der Kostenexplosion stöhnen. "Die haben aber nicht den Spielraum, die Ticketpreise ohne weiteres anzuheben. Da gibt es eine schnellere Abwanderung, wenn die Karten teurer werden. Ich befürchte, dass diese wichtige Basis in den nächsten Jahren wegbricht."

Wien: "Tor zum Osten"

Dass Fans nicht mehr bereit sind, für kleinere Acts Geld auszugeben, sieht Marek Lieberberg, CEO von Live Nation für den deutschsprachigen Raum, dagegen nicht: "Wir veranstalten die Mehrzahl unserer Tourneen in kleinen und mittleren Locations. Die Resonanz auf diese Konzerte widerlegt diese These eindeutig. Die moderne Musik in all ihren Facetten ist der Motor der Gegenwartskultur, ob als Stadion-, Rock- oder Clubkonzert", ließ er auf APA-Anfrage wissen. Ewald Tatar, Chef der österreichischen Baracuda Music, argumentiert ähnlich: "Es finden heuer noch sehr viele Hallenshows statt, im Herbst sind so gut wie keine Venues mehr frei. Es kann natürlich sein, dass die eine oder andere Veranstaltung nicht zieht, wie erwartet. Aber das war schon immer so."

Tatar, dessen Barracuda etwa Taylor Swift nach Wien holt, unterstreicht Wiens Rolle als "das Tor zum Osten". "Wir sind die süd-östlichste Station ihrer Tournee." Daher rechnet man von einem entsprechenden Publikumsandrang aus diesem Raum. "Wien ist ein beliebter und attraktiver Spielort. Wien verbindet Geschichte und Moderne, was viele Künstler fasziniert. Und hat darüber hinaus ein enthusiastisches Publikum", streut Lieberberg von Live Nation noch Rosen.

Musikwissenschaftler Tschmuck wiederum weist zudem auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hin: "Früher sind die Stars in Moskau aufgetreten, dieser Markt ist jetzt weggefallen. Man sucht sich einen sicheren Ersatz, Wien scheint davon zu profitieren."

Tournee-Stau wegen Pandemie

Aber was macht den Reiz aus, Musik mit Tausenden in einem Stadion zu erleben? "Eine Rolle spielt natürlich die Dimension der Inszenierung und deren technische Umsetzung, die eine Veranstaltung zum besonderen Erlebnis gestalten", erläutert Lieberberg. Auf die Frage, ob bei weiter steigenden Ticketpreisen diese Euphorie anhält, meint er: "Teuerungen gibt es in allen Lebensbereichen. Deshalb ist es unsachlich, den Livebereich herauszugreifen."

Von einem Hype in Sachen Stadionkonzerte könne man laut Lieberberg nicht sprechen: "In der Folge der Pandemie hat sich natürlich eine Ballung von Tourneen ergeben. Das wird sich normalisieren."

Aufnahmen werben für Konzerte

Musikprofessor Tschmuck weist auf den Einfluss der Digitalisierung auf den Konzertmarkt hin. "Die Künstlerinnen und Künstler verdienen weniger mit dem Streaming, das trifft auch die Superstars. Sie mussten also ihr Geschäftsmodell ändern." Die Komplementarität zwischen Live- und phonografischem Geschäft, die zwei eng vernetzte Wirtschaftsbereiche waren, ist mit der Digitalisierung aufgebrochen." Das habe dazu geführt, dass jetzt der Livebereich jener ist, in dem Acts ihr Geld verdienen. "Und der phonografische Teil ist eine Art Merchandising für den Konzertbetrieb", so Tschmuck.

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